Zertifizierungspflicht

Sind alle Onlinekurse zertifizierungspflichtig und deshalb nichtig?!

Viele Onlineunternehmer wurden letzte Woche durch die Ankündigung des Bezahldienstleisters Digistore24, alle nicht ZFU-zertifizierten Kurse zu sperren, in Unruhe versetzt. Auch an uns ist die Ankündigung nicht vorbei gegangen.

Laut der Mail von Digistore24 unterliegen alle Produkte, in denen der Kunde die Möglichkeit hat, inhaltlich Fragen zu stellen, dem Fernunterrichtsschutzgesetz (FernUSG). Onlinekurse, die dem FernUSG unterliegen, müssen durch die Zentralstelle für Fernunterricht (ZFU) zertifiziert werden. Somit wäre laut der Mail von Digistore24 fast jeder Onlinekurs zertifizierungspflichtig.

Worum geht es?

Das ganze Thema wurde aufgerollt, da eine Dame versuchte, sich von einem Online-Coaching Vertrag i.H.v. 30.000 Euro brutto zu lösen. Der Widerruf wurde vom Online-Coach abgelehnt, was zur Einleitung eines Gerichtsverfahrens beim Landgericht Stade führte. In diesem Verfahren wurde die Klage zugunsten der Dame entschieden, da der Vertrag als sittenwidrig aufgrund von Wucher angesehen wurde. Der Online-Coach akzeptierte das Urteil nicht und ging in Berufung.

Das OLG Celle gab jedoch ebenfalls der Dame Recht, wobei es seine Entscheidung nicht auf Wucher, sondern auf spezielle Regelungen für Fernunterrichtsangebote stützte. Das Gericht stellte fest, dass derartige Verträge nur dann wirksam sind, wenn der Online-Coach über die erforderliche staatliche Zulassung verfügt, was im vorliegenden Fall nicht der Fall war. Der Vertrag wurde daher als nichtig angesehen und die Dame hatte das Recht, sich vom Vertrag zu lösen und bereits geleistete Zahlungen zurückzufordern.

Sind jetzt alle Online-Kurse ohne Zertifizierung der ZFU unwirksam?

Dafür sehen wir uns zunächst einmal an, was Fernunterricht ist. Laut § 1 FernUSG liegt Fernunterricht vor, wenn ein Lehrgang auf vertraglicher Basis gegen Entgelt angeboten wird und eine individuelle Lernerfolgskontrolle stattfindet. Zudem müssen Lernende und Lehrende überwiegend räumlich getrennt sein; d.h. Präsensenzseminare oder Phasen synchroner Kommunikation (präsenzäquivalente Online-Veranstaltungen) dürfen einen Anteil von 50 % nicht überschreiten. Wir haben hier also 3 Anforderungen:

  1. Die entgeltliche Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeite
  2. Anbieter und Teilnehmer sind ausschließlich oder überwiegend „räumlich getrennt“.
  3. Der Anbieter überwacht den Lernerfolg.

Erfolgen die Online-Seminare zeitgleich und können nicht zusätzlich auch als Wiederholung (ohne Interaktionsmöglichkeit) von den Teilnehmern abgerufen werden, liegt kein Fernunterricht im Sinne des FernUSG vor. Wenn dein Onlinekurs kostenfrei ist, brauchst du auch keine Zertifizierung.

Da wir von Onlinekursen sprechen, gehe ich davon aus, dass diese vorwiegend online stattfinden. Damit ist dieser Punkt gegeben. Somit stellt sich vor allem die Frage, ob eine individuelle Lernkontrolle stattfindet.

Was bedeutet individuelle Lernkontrolle?

Das wesentliche Merkmal von Fernunterricht ist die Begleitung und Betreuung der Teilnehmer. Du als Anbieter musst den Lernerfolg überwachen, damit das Gesetz anwendbar ist. Jetzt denkst du dir bestimmt: „Ich lasse meine Kunden doch keine Klausuren schreiben…?!“ Leider ist hier die Rechtsprechung sehr streng: eine Lernerfolgskontrolle nimmt sie schon dann an, wenn du deinen Teilnehmern vertraglich die Möglichkeit bietest, dass sie Fragen stellen und sie durch die Antworten selbst ihren Lernerfolg überprüfen können. Das Merkmal „individuelle Lernerfolgskontrolle“ ist zudem auch erfüllt, wenn Teilnehmern die Möglichkeit eröffnet wird, inhaltliche Fragen zu stellen.

Daher solltest du bei der Buchung deines Onlineprodukts direkt klarstellen, dass die Kontaktmöglichkeit nur zur Bestellabwicklung dient. So kannst du diesen Punkt umgehen. Konkret bedeutet das:

Du brauchst eine ZFU Zertifizierung, wenn alle folgenden Kriterien erfüllt sind:

  1. Der Kontakt zu deinem Kursteilnehmer vorwiegend asynchron stattfindet Asynchron bedeutet, dass deine Kunden sich die Lerninhalte mit den von dir bereitgestellten Materialien selbst beibringen, ohne dass du anwesend oder per Live-Übertragung zugeschaltet bist und
  2. unter 50 % auf synchronen Maßnahmen (z.B. Zoom-Calls basieren).
  3. zudem wird dem Kursteilnehmer eine individuelle Lernerfolgskontrolle/Beratung/Betreuung ermöglicht.

Du brauchst keine Zertifizierung, wenn eine der folgenden Kriterien erfüllt ist:

  1. Der Kontakt zu deinem Kursteilnehmer erfolgt ausschließlich synchron.
  2. Der Kontakt basiert zu über 50 % auf synchronen Maßnahmen.
  3. Es wird dem Kursteilnehmer keine individuelle Lernerfolgskontrolle/Beratung/Betreuung ermöglicht.

Somit kannst du die ZFU Zertifizierungspflicht ganz einfach legal umgehen, wenn du deinen Online-Kurs zu über 50 % als Live Termine anbietest, oder den Kursteilnehmern keine individuelle Lernkontrolle ermöglichst.

Wie bekomme ich eine ZFU Zertifizierung?

Um eine Zertifizierung zu beantragen, kannst du auf der Seite der ZFU das Antragsformular ausfüllen. Jedoch kommen neben der Zertifizierungspflicht noch weitere Widrigkeiten auf dich zu.

1. Textformerfordernis

Nach § 3 FernUSG müssen Verträge über Fernunterricht immer in Textform geschlossen werden. Zudem muss der Vertrag zwingend folgendes beinhalten:

  • Die Art und Geltung des Lehrgangsabschlusses,
  • Ort, Dauer und Häufigkeit des begleitenden Unterrichts,
  • Angaben über die vereinbarten Zeitabstände für die Lieferung des Fernlehrmaterials,
  • wenn der Fernunterrichtsvertrag die Vorbereitung auf eine öffentlich-rechtliche oder sonstige externe Prüfung umfasst, auch die Angaben zu Zulassungsvoraussetzungen.

2. Kündigung

Ein weiterer Nachteil der Anwendbarkeit des FernUSG sind die Kündigungsfristen: Jeder Teilnehmer kann den Fernunterrichtsvertrag nach § 5 FernUSG ohne Angabe von Gründen kündigen.

Die Frist zur Kündigung beträgt zum Ablauf des ersten Halbjahres nach Vertragsschluss: 6 Wochen, nach Ablauf des ersten Halbjahres: 3 Monate. Kündigt dein Teilnehmer, muss er nur den Anteil des Gesamtpreises bezahlen, der dem Teil des in Anspruch genommenen Fernunterrichts entspricht.

3. Sanktionen

Außerdem können Bußgelder gem. § 21 FernUSG anfallen, wenn du gegen bestimmte Pflichten aus diesem Gesetz verstößt, z. B. die Pflicht zur Zulassung.

Was passiert bei fehlender Zulassung?

Bei fehlender Zulassung durch die ZFU, kann es sein, dass der Vertrag als nichtig erklärt wird und du die Kursgebühren zurückerstatten musst. Das gilt in diesem Fall nicht nur bei Verbraucherverträgen, sondern auch bei B2B Verträgen. Soweit der Vertrag nach § 7 nichtig ist, bedarf er keiner Kündigung oder eines Widerrufs. Der Vertrag ist von Anfang an als nicht existent zu betrachten. Etwaige gezahlte Vergütungen kann jeder Teilnehmer nach § 812 BGB zurückfordern.

Übrigens: Selbst, wenn du ursprünglich eine Zulassung hattest, diese aber nachträglich wegfällt, hat dein Teilnehmer ein Recht zur fristlosen Kündigung (§ 7 FernUSG). Außerdem können wie oben bereits angesprochen Bußgelder fällig werden.

Fazit

Viele bereits bestehende Online-Kurse vor allem mit Mitgliederbereich, werden derzeit eine ZFU Zertifizierung benötigen. Jedoch lässt sich diese Zertifizierungspflicht einfach umgehen, in dem man den Kunden keine individuelle Lernkontrolle ermöglicht (Kontaktmöglichkeit nur zur Bestellabwicklung anbieten, nicht zu inhaltlichen Fragen) oder den Online-Kurs überwiegend Live anbietet.

Um die Sperre bei Digistore24 zu umgehen, solltest du schnellstmöglich, eine Genehmigung deiner Produkte bei Digistore24 beantragen und vorher die entsprechenden Schritte einleiten.

 

Désirée Jäger, LL.M.

Désirée Jäger, LL.M. Désirée hat sich bereits im Studium mit dem Datenschutz beschäftigt und Ihre Masterarbeit dem Thema: „Die Übermittlung personenbezogener Daten an Empfänger in Drittländer nach Anforderungen der DSGVO“ gewidmet. Sie war einige Zeit als Contract- und Claim-Managerin im maritimen Sektor tätig und hat Vertrags- sowie Claimverhandlungen geführt. Jetzt unterstützt sie Paragraf 7 bei der Lösung rechtlicher Probleme von Unternehmen.

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2 Kommentare

  1. Andre Halter

    Gilt diese Regelung auch dann, wenn es um ein reines Coaching mit einer Kombi aus Videos und Livecalls geht aber nicht um eine Ausbildung geht, in der Fertigkeiten vermittelt werden?

    Es ist ja von Lehrgängen etc. die Rede.

    150-200% des Kurspreises als Zulassungsgebühr ist ja auch eine ordentliche Summe für viele Onlinecoaches, die ihre Klienten online coachen.

    • Dr. Ronald Kandelhard

      Die Grenze ist da sicher fließend, aber wenn es eine reine Begleitung ist, sollte das kein Kurs sein und die Regelung nicht anwendbar. Das ist aber eine Frage des Einzelfalls, wie das Coaching ausgestaltet ist und dementsprechend bewertet wird.

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