In einer aktuellen Entscheidung vom 20. Februar 2024 hat das Oberlandesgericht (OLG) Hamburg klargestellt, dass Online-Coaching-Verträge nicht unter das Fernunterrichtsschutzgesetz (FernUSG) fallen, wenn der Schwerpunkt auf der Beratung und Begleitung liegt und keine Überwachung des Lernerfolgs stattfindet. Dieses Urteil hat weitreichende Auswirkungen für Anbieter von Online-Kursen und Coachings, die nun besser verstehen können, welche rechtlichen Anforderungen an ihre Vertragsgestaltung gestellt werden.
I. Hintergrund des Urteils
Die Klägerin in diesem Fall bietet Coaching-Leistungen im Bereich „Print on Demand“ an und hatte mit dem Beklagten einen Vertrag über ein sechsmonatiges Coaching abgeschlossen. Dieses Coaching umfasste sowohl den Zugang zu 235 Schulungsvideos als auch eine bestimmte Anzahl an Videokonferenzen. Der Beklagte widerrief den Vertrag nach wenigen Tagen und verweigerte weitere Zahlungen, woraufhin die Klägerin Klage auf Zahlung der vereinbarten Vergütung erhob.
Das Landgericht Hamburg hatte die Klage zunächst abgewiesen und den Vertrag als nichtig angesehen, da er gegen das FernUSG verstoße. Nach Ansicht des Landgerichts handelte es sich bei dem Coaching-Programm um einen Fernunterrichtsvertrag, der ohne die erforderliche Zulassung nach § 12 Abs. 1 FernUSG abgeschlossen wurde.
II. Die Entscheidung des OLG Hamburg
Das OLG Hamburg sah den Fall anders und änderte die Entscheidung der Vorinstanz ab. Es entschied, dass der Vertrag nicht unter das FernUSG falle und somit auch nicht der Zulassungspflicht nach § 12 Abs. 1 FernUSG unterliege. Das OLG begründete seine Entscheidung wie folgt:
- Schwerpunkt der Leistung: Das Gericht stellte fest, dass der Schwerpunkt des Vertrags auf der individuellen Beratung und Begleitung lag und nicht auf der Vermittlung von spezifischem Wissen. Dies sei entscheidend für die Abgrenzung vom Fernunterricht im Sinne des FernUSG.
- Keine Überwachung des Lernerfolgs: Das Gericht betonte, dass eine Überwachung des Lernerfolgs durch den Coach nicht vereinbart war und auch nicht aus dem Vertrag hervorging. Allein die Möglichkeit, Fragen während des Coachings zu stellen, stelle keine Überwachung im Sinne des FernUSG dar.
III. Auswirkungen für Online-Coaching-Anbieter
Dieses Urteil hat erhebliche praktische Auswirkungen für Anbieter von Online-Coachings und -Kursen. Hier sind die wichtigsten Punkte, die Anbieter beachten sollten:
- Vertragliche Gestaltung: Es ist wichtig, den vertraglichen Schwerpunkt klar auf Beratungs- und Begleitungsleistungen zu legen und die Vermittlung von abgegrenztem Wissen zu vermeiden, um nicht unter die Bestimmungen des FernUSG zu fallen.
- Überwachung des Lernerfolgs: Anbieter sollten sicherstellen, dass keine vertraglichen Bestimmungen zur Überwachung des Lernerfolgs enthalten sind. Die bloße Möglichkeit, Fragen zu stellen, reicht nicht aus, um als Überwachung zu gelten.
- Vermeidung bestimmter Begriffe: Begriffe wie „Lehrgang“, „Studium“, „Zertifikat“, „Akademie“ und „Kurs“ sollten vermieden werden, da sie implizieren könnten, dass eine Lernkontrolle stattfindet.
- Rechtsunsicherheit: Trotz dieser Klarstellungen bleibt ein gewisses Maß an Rechtsunsicherheit bestehen. Anbieter sollten sich daher kontinuierlich über die aktuelle Rechtsprechung informieren und ihre Verträge entsprechend anpassen.
IV. Fazit
Das Urteil des OLG Hamburg bietet wichtige Klarstellungen für die rechtliche Behandlung von Online-Coaching-Verträgen und hilft Anbietern, ihre Dienstleistungen rechtssicher zu gestalten. Durch eine klare Fokussierung auf Beratungs- und Begleitungsleistungen und die Vermeidung der Überwachung des Lernerfolgs können Anbieter sicherstellen, dass ihre Verträge nicht unter das FernUSG fallen.
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Dr. Ronald Kandelhard, Rechtsanwalt und Mediator, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht. Ronald war lange Zeit an der Universität, in der Rechtsberatung von Staaten und als Rechtsanwalt tätig. Jetzt entwickelt er mit seinem Startup Paragraf7 automatisierte Lösungen für rechtliche Probleme von Unternehmen.
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