Keine Anwendung des FernUSG auf Online-Coaching-Verträge: Ein wegweisendes Urteil des OLG Hamburg

Aktualisierung Mai 2025: Eingefügt Entscheidung OLG München zur Anwendbarkeit auf Unternehmen als Coachee. 


In einer aktuellen Entscheidung vom 20. Februar 2024 hat das Oberlandesgericht (OLG) Hamburg klargestellt, dass Online-Coaching-Verträge nicht unter das Fernunterrichtsschutzgesetz (FernUSG) fallen, wenn der Schwerpunkt auf der Beratung und Begleitung liegt und keine Überwachung des Lernerfolgs stattfindet. Dieses Urteil hat weitreichende Auswirkungen für Anbieter von Online-Kursen und Coachings, die nun besser verstehen können, welche rechtlichen Anforderungen an ihre Vertragsgestaltung gestellt werden.

I. Hintergrund des Urteils

Die Klägerin in diesem Fall bietet Coaching-Leistungen im Bereich „Print on Demand“ an und hatte mit dem Beklagten einen Vertrag über ein sechsmonatiges Coaching abgeschlossen. Dieses Coaching umfasste sowohl den Zugang zu 235 Schulungsvideos als auch eine bestimmte Anzahl an Videokonferenzen. Der Beklagte widerrief den Vertrag nach wenigen Tagen und verweigerte weitere Zahlungen, woraufhin die Klägerin Klage auf Zahlung der vereinbarten Vergütung erhob.

Das Landgericht Hamburg hatte die Klage zunächst abgewiesen und den Vertrag als nichtig angesehen, da er gegen das FernUSG verstoße. Nach Ansicht des Landgerichts handelte es sich bei dem Coaching-Programm um einen Fernunterrichtsvertrag, der ohne die erforderliche Zulassung nach § 12 Abs. 1 FernUSG abgeschlossen wurde.

II. Die Entscheidung des OLG Hamburg

Das OLG Hamburg sah den Fall anders und änderte die Entscheidung der Vorinstanz ab. Es entschied, dass der Vertrag nicht unter das FernUSG falle und somit auch nicht der Zulassungspflicht nach § 12 Abs. 1 FernUSG unterliege. Das OLG begründete seine Entscheidung wie folgt:

  • Schwerpunkt der Leistung: Das Gericht stellte fest, dass der Schwerpunkt des Vertrags auf der individuellen Beratung und Begleitung lag und nicht auf der Vermittlung von spezifischem Wissen. Dies sei entscheidend für die Abgrenzung vom Fernunterricht im Sinne des FernUSG.
  • Keine Überwachung des Lernerfolgs: Das Gericht betonte, dass eine Überwachung des Lernerfolgs durch den Coach nicht vereinbart war und auch nicht aus dem Vertrag hervorging. Allein die Möglichkeit, Fragen während des Coachings zu stellen, stelle keine Überwachung im Sinne des FernUSG dar.

III. Auswirkungen für Online-Coaching-Anbieter

Dieses Urteil hat erhebliche praktische Auswirkungen für Anbieter von Online-Coachings und -Kursen. Hier sind die wichtigsten Punkte, die Anbieter beachten sollten:

  • Vertragliche Gestaltung: Es ist wichtig, den vertraglichen Schwerpunkt klar auf Beratungs- und Begleitungsleistungen zu legen und die Vermittlung von abgegrenztem Wissen zu vermeiden, um nicht unter die Bestimmungen des FernUSG zu fallen.
  • Überwachung des Lernerfolgs: Anbieter sollten sicherstellen, dass keine vertraglichen Bestimmungen zur Überwachung des Lernerfolgs enthalten sind. Die bloße Möglichkeit, Fragen zu stellen, reicht nicht aus, um als Überwachung zu gelten.
  • Vermeidung bestimmter Begriffe: Begriffe wie „Lehrgang“, „Studium“, „Zertifikat“, „Akademie“ und „Kurs“ sollten vermieden werden, da sie implizieren könnten, dass eine Lernkontrolle stattfindet.
  • Rechtsunsicherheit: Trotz dieser Klarstellungen bleibt ein gewisses Maß an Rechtsunsicherheit bestehen. Anbieter sollten sich daher kontinuierlich über die aktuelle Rechtsprechung informieren und ihre Verträge entsprechend anpassen.

IV. Widersprechende Entscheidung des OLG München: Keine Anwendung auf Unternehmen als Coachee

II. Die aktuelle Entscheidung des OLG München

Mit Urteil vom 17. Oktober 2024 (Az. 29 U 310/21) hat das OLG München den Diskurs um das Fernunterrichtsschutzgesetz (FernUSG) nochmals aufgemischt (https://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/Y-300-Z-BECKRS-B-2024-N-30631?hl=true). Der Senat stellt klar, dass der persönliche Anwendungsbereich der §§ 1 Abs. 1, 7 Abs. 1, 12 Abs. 1 FernUSG bei reinen B2B-Coaching-Verträgen nicht eröffnet ist – also immer dann, wenn dein Coachee als Unternehmer handelt. Aus den Gesetzesmaterialien ergebe sich, so das Gericht, dass der historische Gesetzgeber bewusst nur Verbraucher schützen wollte, um seine Kompetenz nicht zu überschreiten. 

Leitsatz (gekürzt):

Bei einem Online-Coaching-Vertrag mit einem Unternehmer als Coachee findet das FernUSG keine Anwendung, weil der historische Bundesgesetzgeber den Schutz ausdrücklich auf Verbraucher beschränkt hat. Gesetze Bayern

1. Hintergrund des Münchener Verfahrens

Die Klägerin, eine Unternehmensberatung, verlangte Vergütung aus einem hochpreisigen Coaching-Paket. Der Beklagte – Schauspieler und Einzelunternehmer – berief sich auf die Nichtigkeit des Vertrags mangels ZFU-Zulassung (§ 12 Abs. 1 FernUSG) Gesetze im Internet.
Das OLG folgte dem nicht: Schon § 1 Abs. 1 FernUSG setze auf den „Teilnehmer“ als Verbraucher an, weshalb Unternehmer*innen ab Werk außen vor seien. Gesetze im Internet

2. Zentrale Argumente des OLG München

Kernargument Kurz erklärt
Historische Auslegung Der Gesetzgeber wollte 1976 nur Verbraucher schützen, damit Bildungs­kompe­tenzen der Länder nicht tangiert werden.
Systematische Stütze Verweise z. B. in § 4 S. 1 FernUSG auf das Widerrufsrecht des § 355 BGB bestätigen die verbraucher­schützende Ausrichtung. Gesetze im InternetGesetze im Internet
Fehlende Anwendbarkeit auf Unternehmer Mangels Verbrauchereigenschaft greift weder die Nichtigkeits­folge des § 7 Abs. 1 FernUSGGesetze im Internet noch die Zulassungspflicht nach § 12 Abs. 1 FernUSG.

Das Gericht ließ wegen gegenteiliger Rechtsprechung (v. a. OLG Celle) die Revision zum BGH zu – eine höchstrichterliche Klärung rückt also näher. Gesetze Bayern


IV. Was bedeutet das jetzt für dich als Coaching-Anbieter?

  1. B2B = Kein FernUSG-Risiko
    Sobald du ausschließlich mit Unternehmerinnen zusammenarbeitest – etwa Selbstständigen, Freiberuflerinnen oder GmbHs – musst du nach der Münchener Linie keine ZFU-Zulassung für dein Coaching einholen.

  2. B2C bleibt heikel
    Betreust du (auch) Verbraucher*innen, gelten weiterhin die FernUSG-Schutzmechanismen. Prüfe deshalb Vertragstexte und Marketing-Sprache doppelt sorgfältig:

    • Vermeide Begriffe wie „Lehrgang“, „Studium“ oder „Zertifikat“.

    • Mache klar, dass keine Lernkontrolle stattfindet.

  3. Hybrid-Programme sauber trennen
    Bietest du gemischte Programme für Unternehmerinnen und Verbraucherinnen an, erwäge getrennte AGB und Buchungs­strecken, um das FernUSG-Regime nur dort zu aktivieren, wo es muss.

  4. Vertragsklauseln schärfen

    • Definiere den Beratungs- und Begleitfokus explizit.

    • Stelle transparent, dass du keine Überwachung des Lernerfolgs vornimmst – Fragen beantworten ≠ Prüfung.

  5. Rechtsentwicklung beobachten
    Bis der BGH oder der Gesetzgeber nachzieht, bleibt ein Lagernetz aus divergierenden Urteilen bestehen. Plane daher Update-Schleifen für deine Verträge – easyContracts hält dich natürlich auf dem Laufenden. 🚀


V. Zwischenergebnis

Das OLG München stärkt den Rücken aller, die rein unternehmerische Online-Coachings anbieten: Hier greift das FernUSG nach aktueller obergerichtlicher Sicht nicht. Für B2C-Modelle gelten dagegen weiterhin die Leitplanken aus Hamburg (Schwerpunkt Beratung, keine Lernkontrolle) und den einschlägigen Paragrafen des FernUSG. 

Kurz gesagt: Definiere deine Zielgruppe klar, formuliere deine Verträge präzise – dann bleibst du rechtssicher unterwegs.


VI. Gesamtergebnis

Das Urteil des OLG Hamburg bietet wichtige Klarstellungen für die rechtliche Behandlung von Online-Coaching-Verträgen und hilft Anbietern, ihre Dienstleistungen rechtssicher zu gestalten. Durch eine klare Fokussierung auf Beratungs- und Begleitungsleistungen und die Vermeidung der Überwachung des Lernerfolgs können Anbieter sicherstellen, dass ihre Verträge nicht unter das FernUSG fallen.

Das Urteil des OLG München widerspricht dem OLG Hamburg und verneint die Anwendung des FernUST, wenn Unternehmen gecoacht werden. Leider bleibt für Dich unklar, ob außerhalb des Oberlandesgerichtsbezirkes München das für Dich zuständige Gericht der Entscheidung des OLG München folgt oder mit dem OLG Hamburg und der bisher herrschenden Meinung das FernUSG unterschiedslos auf Verbraucher und Unternehmen anwendet. Die Chancen, hier ohne Konsequenzen zu bleiben, sind durch das Urteil des OLG München aber nicht kleiner geworden. 

Die 10 wichtigsten Vorteile für AGB ganz generell findest Du hier.

Rechtsanwalt Dr. Ronald Kandelhard

Dr. Ronald Kandelhard, Rechtsanwalt und Mediator, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht. Ronald war lange Zeit an der Universität, in der Rechtsberatung von Staaten und als Rechtsanwalt tätig. Jetzt entwickelt er mit seinem Startup Paragraf7 automatisierte Lösungen für rechtliche Probleme von Unternehmen. 

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