Scheinselbständigkeit – wie erkennen und vermeiden?

Erfahre hier, wie Du als Freelancer, virtueller Assistent oder Auftragnehmer nicht scheinselbständig wirst – oder als Auftraggeber keine Scheinselbständigen beschäftigst. Von Rechtsanwalt, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht Dr. Ronald Kandelhard Inhalt

  1. 1. Scheinselbstständigkeit Definition
  2. 2. Scheinselbstständigkeit Folgen
  3. 3. Scheinselbstständigkeit Kriterien
  4. 4. Scheinselbstständigkeit Checkliste
  5. 5. Ergebnis

Bist Du scheinselbständig oder beschäftigst Du Scheinselbständige? Dann können erhebliche Kosten auf Dich zukommen. Daher ist elementar, dass Du die Kriterien für Scheinselbständigkeit kennst, um eine Scheinselbständigkeit zu vermeiden. Finde hier unsere Scheinselbständigkeit Checkliste und sichere Dich ab.

1. Scheinselbständigkeit Definition

Scheinselbständigkeit ist gegeben, wenn ein Auftragnehmer / Freelancer in Wirklichkeit nicht selbständig ist, sondern Arbeitnehmer im Sinne des § 611a BGB bei einem Arbeitgeber. Der Unterschied ist vor allem die Sozialversicherungspflicht für Arbeitnehmer. Für diese müssen vor Kranken- und Rentenversicherungsbeiträge abgeführt werden (und war sowohl von dem Arbeitnehmer als auch dem Arbeitgeber). Durch die Regeln zur Scheinselbständigkeit versucht der Gesetzgeber also vor allem die Sozialkassen gegen Betrug zu schützen, damit nicht plötzlich aus einem Bauunternehmen eine Kolonne selbständiger Maurer wird oder der Lagerbelegschaft eine Gruppe selbständiger Kommissionierer. Mit einer fortschreitenden Tendenz zu immer höherwertiger Arbeit, zu mehr Freelancern, zu mehr insbesondere auch ortsunabhängigen Selbständigen (wie dem Autor z.B.), passen die alten Kriterien aber nicht immer bruchlos zu neuen digitalen Wirklichkeiten. Das ist hier nicht anders als in vielen anderen Bereichen der Gesellschaft.

2. Scheinselbständigkeit Folgen

Folge der Scheinselbständigkeit ist, dass insbesondere die Beiträge zur Sozialversicherung nachzuzahlen sind. Die Haftung des scheinselbständigen Auftragnehmers dafür ist aber auf die letzten 3 Monate beschränkt. Der Auftraggeber muss jedoch die gesamte Dauer der Scheinselbständigkeit nachzahlen, bei Vorsatz sogar bis zu 30 Jahre. Weiter haften beide als Gesamtschuldner für evtl. zu wenig entrichtete (Lohn-)Steuer.

3. Scheinselbständigkeit Kriterien

Ob ein Freelancer / Auftragnehmer scheinselbständig ist, entscheidet sich immer nach dem Gesamtbild der konkreten Zusammenarbeit zwischen Auftragnehmer und Auftraggeber – und zwar ausschließlich anhand der tatsächlichen Verhältnisse. Das bedeutet nicht, dass ein passender Vertrag gleichgültig wäre. Ein guter und richtiger Vertrag ist immer eine erste Voraussetzung für die Beschäftigung von selbständigen Auftragnehmern / Freelancern. Stehen im Vertrag Regelungen, die auf Scheinselbständigkeit schließen lassen, kann das bereits der erste Fehler sein, der später zu Deiner Haftung führt. Dennoch bleiben die tatsächlichen Verhältnisse maßgebend. Der richtige Vertrag ist also immer nur der Anfang, um eine Scheinselbständigkeit zu vermeiden. Das Verhältnis muss eben tatsächlich auch als ein Auftrags- und nicht ein Arbeitsverhältnis wirklich gelebt werden.

4. Scheinselbständigkeit Checkliste

Eine Scheinselbständigkeit entscheidet sich gem. § 611a BGB nach einer Gesamtschau der tatsächlichen Verhältnisse. Von daher gibt es eine eigentliche Checkliste für Scheinselbständigkeit als solche nicht. Es gibt aber Kriterien für Selbständigkeit oder umgekehrt Scheinselbständigkeit. Diese können mehr oder weniger relevant sein. Am Ende fällt die Entscheidung nach Art eines beweglichen Systems. Nicht ein bestimmtes Kriterium oder eine bestimmte Zahl von Kriterien entscheidet über die Scheinselbständigkeit, sondern das Zusammenwirken verschiedener Kriterien. Dabei müssen weder in die eine oder die andere Richtung irgendwelche Kriterien überhaupt vorliegen. Zudem können besonders deutlich verwirkte Kriterien mehrere andere fehlende oder gering erfüllte Kriterien aufheben. Nachfolgend eine kleine Matrix zur Scheinselbständigkeit. Links sind Kriterien genannt, die für eine Scheinselbständigkeit sprechen, rechts findest Du die Kriterien, die für eine Selbständigkeit sprechen.

Scheinselbständigkeit Selbständigkeit
Der Auftragnehmer ist weisungsgebunden in Bezug auf Zeit, Ort und Inhalt der Tätigkeit. Der Auftragnehmer ist frei in der Gestaltung von Zeit, Ort und Inhalt seiner Tätigkeit.
Der Auftragnehmer ist auf Dauer und überwiegend nur für einen Auftraggeber tätig (im Rentenversicherungsrecht gilt insoweit eine wonach arbeitnehmerähnlich ist, wer mehr als 5/6tel seiner Einkünfte von einem Auftraggeber erhält). Der Auftragnehmer ist für viele Auftraggeber parallel tätig (wobei verbundene Unternehmen auf Auftraggeberseite ggf. als nur einer zählen, z.B., wenn sie den gleichen Inhaber haben).
Der Auftragnehmer ist ebenso in das Unternehmen des Auftraggebers eingebunden wie dessen sonstige Arbeitnehmer. Der Auftragnehmer ist frei in der Art und Weise, wie er den Auftrag abwickelt.
Der Auftragnehmer hat Vorgaben für die zu verwendeten Arbeitsmittel Der Auftragnehmer besorgt die erforderlichen Arbeitsmittel selbst.
Der Auftragnehmer beschäftigt selbst keinen Arbeitnehmer, der regelmäßig mehr als nur geringfügig verdient. Der Auftragnehmer beschäftigt selbst sozialversicherungspflichtige Angestellte.
Der Auftragnehmer ist an bestimmte Ein- oder Verkaufspreise gebunden. Der Auftragnehmer ist in der Preisgestaltung frei.
Der Auftragnehmer tritt nicht am Markt auf. Der Auftragnehmer tritt als Selbständiger am Markt auf (eigener Briefkopf, eigene Website und Visitenkarte, macht Werbung).
Der Auftragnehmer ist an bestimmte Urlaubszeiten gebunden und muss sich ggf. sogar Nebentätigkeiten genehmigen lassen. Der Auftragnehmer bestimmt selbst über Urlaub und anzunehmende Arbeiten.
Der Auftragnehmer ist Einzelunternehmer. Der Auftragnehmer ist eine Kapitalgesellschaft (insbesondere GmbH und UG), doch kann – nach einer Gesetzesänderung – auch ein Alleingeschäftsführer einer Kapitalgesellschaft scheinselbständig sein, wenn die Gesellschaft die Kriterien erfüllt).
Der Auftragnehmer war früher – ggf. gar für die gleiche Tätigkeit – Arbeitnehmer des Auftraggebers. Der Auftragnehmer war nie abhängig bei dem Auftraggeber beschäftigt.

Diese kleine Matrix enthält jedenfalls die wesentlichen Indizien in die eine oder andere Richtung. Immer kommt es auf eine Gesamtschau an. Besonders relevant sind aber die Kriterien nur ein Auftraggeber und Einbindung in die Organisation des Auftraggebers. Selbständige Programmierer, die für eine längere Dauer in einem Unternehmen als Teil eines dortigen Teams tätig werden, werden es daher schwer haben, eine Scheinselbständigkeit zu vermeiden.

5. Ergebnis

Scheinselbständigkeit ist in aller Munde.  Zurecht, denn die Rechtsfolgen einer Scheinselbständigkeit sind einschneidend. Das gilt noch mehr für den Auftraggeber als für den Freelancer / Auftragnehmer. Mehr über Verträge und AGB und vor allem dem Unterschied zwischen beiden findest Du hier. Passende Verträge sowohl für die Erbringung von Leistungen als auch den Einkauf von Leistungen findest Du auf dieser Seite. Ist der passende Vertrag nicht dabei, melde Dich gerne bei mail@easyContracts.de oder fülle das nachfolgende Formular aus: Hier noch eine kleine Präsentation von mir zu diesem Thema:

 

Alle Vorteile zu AGB’s findest Du hier.

 

Rechtsanwalt Dr. Ronald Kandelhard

Dr. Ronald Kandelhard, Rechtsanwalt und Mediator, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht. Ronald war lange Zeit an der Universität, in der Rechtsberatung von Staaten und als Rechtsanwalt tätig. Jetzt entwickelt er mit seinem Startup Paragraf7 automatisierte Lösungen für rechtliche Probleme von Unternehmen.

 

 

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