Was Du als Freelancer, virtueller Assistent, Agentur, Webdesigner, Programmierer, Coach, Trainer, Sprecher oder sonstiger Anbieter oder Einkäufer einer Dienstleistung jetzt wissen musst, wenn es zu Leistungshindernissen durch Corona kommt.
Von Dr. Ronald Kandelhard, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
Einleitung
1. Corona
Der Corona Virus hat inzwischen Deutschland erreicht. Das öffentliche Leben ist teilweise zum Erliegen gekommen, weitere Einschränkungen sind wahrscheinlich. Für die Parteien eines Dienst- oder Werkvertrages stellt sich danach die Frage, was gilt, wenn deshalb die Leistung nicht oder nicht rechtzeitig erbracht werden kann.
Ob bei einem Webdesign-Vertrag, einem Programmier-Vertrag, einem Social Media Agentur Vertrag, einem Grafik Design Vertrag, einem Coachingvertrag, einem Beratungsvertrag oder sonstigen Dienst- oder Werkvertrag, immer ist eine Dienstleistung geschuldet. Jemand muss eine Leistung erbringen. Diese Leistung kann aber durch die vielfältigen Einschränkungen durch den Corona Virus zeitweilig oder gänzlich unmöglich oder erschwert werden. Der Dienstleister kann selbst an dem Corona Virus erkrankt sein, er kann Angehörige haben, die daran erkrankt sind, er kann aufgrund einer angeordneten Quarantäne die Leistung nicht abliefern, es kann die Veranstaltung abgesagt sein, auf der die Leistung zu erbringen ist. Es kann viele Gründe geben, warum in Zeiten von Corona Dienst- oder Werkleistungen nicht erbracht oder angenommen werden können. Nicht betrachtet wird hier der Arbeitsvertrag, der ist zwar auch ein Dienstvertrag, es gelten jedoch einige Besonderheiten.
2. Die Rollen: Einkauf und Verkauf
Bei der Betrachtung der Rechtfolgen solcher Einschränkungen kommt es immer darauf an, in welcher Rolle Du davon betroffen bist. Du kannst der Anbieter der Dienstleistung sein, einer Website, eines Software-Programms, eines Coachings, eines Trainings, einer Beratung, einer Grafik, sonstigen Gestaltung, überhaupt jeder denkbaren Dienstleistung.
Du kannst aber auch als Abnehmer einer Dienstleistung betroffen sein. Ein Videoproduzent kann etwa den Schnitt an einen Freelancer vergeben, der nicht liefern kann, ein Webdesigner einen Programmierer gebucht haben, der nicht leisten kann, ein Sprecher einen Texter gebucht, haben, der sich um Kinder kümmern muss und nicht mehr alle Aufträge schaffen kann, etc.
So kann es auch zu Störungsketten kommen, wenn z. B. der Videoproduzent das Video mangels Schnitt nicht fertig kriegt und sein Auftraggeber deshalb Rechte aus Verzug oder Unmöglichkeit geltend macht.
Wer also ein konkretes Problem hat, sollte immer beachten, in welchem Zusammenhang er betroffen ist. Wir beginnen mit Störungen bei dem Anbieter der Dienstleistung, also dem Freelancer, Webdesigner, Programmierer, Coach, Berater, virtuellen Assistenten oder der Agentur.
Teil 1: Was gilt für Corona Hindernisse für den Anbieter der Dienstleistung?
Als erstes betrachten wir Hindernisse, die Dich als Anbieter einer Dienst- oder Werkleistung betreffen können:
II. Wann ist die Dienstleistung unmöglich?
Eigentlich ist das Gesetz ganz einfach. § 275 Abs. 1 BGB erkennt natürlich an, dass eine unmögliche Leistung nicht erbracht werden kann:
„Der Anspruch auf Leistung ist ausgeschlossen, soweit diese für den Schuldner oder für jedermann unmöglich ist.“
1. Was ist tatsächliche Unmöglichkeit in den Corona-Fällen?
Aber wann genau ist denn eine Leistung einmal „für jedermann unmöglich“. Ist der Schuldner krank oder muss er Kinder pflegen, mag das ihn hindern, es gibt aber fast immer einen Dritten, der die Leistung noch erbringen kann. Ein anderer Cutter hätte den Film im Beispielfall noch schneiden können.
Eine tatsächliche Unmöglichkeit liegt in den Corona Fällen typischerweise nicht einmal dann vor, wenn die Leistung deshalb nicht möglich ist, weil ihr Gegenstand entfallen ist. Das betrifft z.B. Veranstaltungsabsagen, kann aber auch auf der Schließung von Geschäften oder Gebäuden beruhen, an oder in denen die Leistung zu erbringen war oder immer dann eintreten, wenn eine Anreise des Dienstleisters an Quarantänebestimmungen scheitert.
Selbst hier bedarf es noch eines weiteren gedanklichen Schrittes, um Unmöglichkeit anzunehmen. Das ist nämlich in all diesen Beispielen und auch in den sonstigen Fällen des Dienst- oder Werkvertrages regelmäßig erst dann der Fall, wenn entweder:
- die Leistung zeitlich nicht nachgeholt werden kann oder
- die Leistung nur von einer bestimmten Person erbracht werden konnte.
Nur dann ist wirklich Unmöglichkeit gegeben.
Tatsächliche Unmöglichkeit wegen Corona bleiben dann eigentlich nur über, wenn z.B. der Coachee selbst an Corona verstorben ist. Selbst dann kann man noch differenzieren. Hat etwa ein Unternehmen das Coaching für den Verkaufsleiter gebucht, kann auch ggf. ein neuer Verkaufsleiter geschickt werden. Perfide Unterscheidungen, die aber, wenn es hart auf hart kommt, Diskussionsstoff eines Gerichtsverfahrens sein können.
Im Regelfall wird eine tatsächliche Unmöglichkeit wegen Corona aber eher selten sein.
2. Wann liegt eine nachholbare Leistung vor?
Unmöglichkeit kann aber dennoch eintreten, wenn die Leistung nicht nachgeholt werden kann. Das ist bei allen absoluten Fixgeschäften der Fall. Der Klassiker ist die Torte zur Hochzeit. In all diesen Fällen ist der Termin so wesentlich, dass nur zu diesem die Leitung erbracht werden kann. Das sind vor allem Veranstaltungen. Wird eine Konferenz wegen Corona verboten, können alle darauf zu erbringenden Dienstleistungen nicht mehr erbracht werden.
Aber auch sonst können Leistungen zeitlich fix sein. Es kann auch sein, dass der Grafiker es etwa wegen Corona nicht schafft, die Einladungen zu einer stattfindenden Veranstaltung zu gestalten, der Programmierer die Software für die Online Konferenz nicht fertig bekommt oder auch hier der Speaker nicht sprechen kann, weil er erkrankt ist.
Immer dann ist die Leistung unmöglich. Aber mit der Annahme eines Fixgeschäftes sind die Juristen durchaus zurückhaltend. Nicht alles, was ein bestimmtes Datum hat, ist ein Fixgeschäft, eine Flugreise wird etwa nicht als Fixgeschäft angesehen, ist also nachholbar. Fliegt das Flugzeug am nächsten Tag, ist keine Unmöglichkeit gegeben.
3. Wann ist eine persönliche Leistung unmöglich?
Unmöglichkeit kann auch dann leichter eintreten, wenn nur eine bestimmte Person die Dienste leisten kann. Solche höchstpersönlichen Leistungen liegen vor allem dann vor, wenn die Leistung mit Rücksicht auf besondere Kenntnisse oder ein besonderes Vertrauen übertragen wurden, z.B. Coaching, Beratung oder höherwertige Gestaltungen.
Ein Indiz können dabei Regelungen in dem Vertrag sein. Ist dem Dienstleister die Einschaltung von Subunternehmen untersagt, dürfte es sich um höchstpersönliche Dienste handeln. Auch hier sind die Juristen aber restriktiv. So hat etwa das OLG München ein Konzert mit einem anderen Dirigenten für möglich gehalten (natürlich nur, wenn der andere Dirigent gefunden werden kann, ehe die Veranstaltung statt findet).
4. Was ist rechtliche Unmöglichkeit wegen Corona?
Es kann aufgrund des Corona Virus auch zu einer rechtlichen Unmöglichkeit kommen. Das ist vor allem dann der Fall, wenn die entsprechende Leistung verboten wird. Werden etwa Sportstudios geschlossen, kann aus rechtlichen Gründen ein Kurs oder ein Training ausfallen.
5. Zwischenergebnis Unmöglichkeit
Als Fazit kann eine Leistung also durch Coronavirus unmöglich werden, es sind jedoch vor allem eher seltene Fälle eines Fixgeschäftes oder persönlich zu erbringende Leistungen.
6. Welche Rechtsfolgen treten bei Unmöglichkeit ein?
Ist eine Unmöglichkeit gegeben, bestimmt § 275 Abs. 1 BGB, dass der Schuldner von der Verpflichtung zur Leistung frei wird. War der Cutter also an Corona erkrankt und konnte er die Schneidearbeit nur persönlich zu dem Termin erbringen, dann ist Unmöglichkeit eingetreten. Der Schuldner (Cutter) muss nicht leisten, der Gläubiger (Produzent) von ihm die Leistung nicht mehr einklagen.
Natürlich ist das nicht folgenlos, vielmehr kann dann auch der Schuldner dann die Gegenleistung (die vereinbarte Vergütung) nicht mehr fordern (§ 326 Abs. 1 Satz 1 BGB). Ist diese bereits (teilweise) geleistet, kann der Gläubiger die Zahlung nach § 326 Abs. 4 BGB zurück fordern.
Im Ergebnis werden die Parteien bei der durch Corona bewirkten Unmöglichkeit also so gestellt, als hätten sie den Vertrag nicht geschlossen. Hier hätte dann der Produzent das Problem, weil er die Leistung nicht (rechtzeitig) bekommen hat und er muss sich dann ggf. gegenüber seinem Kunden auch auf die Unmöglichkeit berufen. Diese ist dann nicht unbedingt ein Selbstgänger, nur weil der Produzent von der Unmöglichkeit betroffen wurde. Denn für den Vertrag des Produzenten mit seinem Kunden können andere Maßstäbe gelten. Z.B. könnte der Vertrag für den Produzenten keine höchstpersönliche Leistung darstellen.
7. Kann man eine Corona Unmöglichkeit zu vertreten haben (Verschulden)?
Damit aber immer noch nicht genug. Zwar wird der Schuldner nach § 275 BGB von der sogenannten Primärleistung frei, aber natürlich schafft es der Jurist, noch weiter zu differenzieren (sic!). Denn an die Stelle der Primärleistung (die Dienstleitung, z.B. schneiden des Films), kann auch eine Sekundärleistung auf Schadensersatz statt der Leistung treten. Auf diese hat der Gläubiger (nach § 311a BGB oder § 280 BGB) Anspruch, wenn der Schuldner die Unmöglichkeit zu vertreten hatte.
Bei einer Unmöglichkeit wegen Corona dürfte ein Verschulden aber selten sein. Das kann eigentlich nur auftreten, wenn die Unmöglichkeit darauf beruht, dass der Schuldner schon erkennbare Gefahren von Corona ignoriert (z.B. nicht rechtzeitig für einen Ersatz bei nicht persönlichen Leistungen gesorgt) hat.
So könnte dann etwa der Fall des Videoproduzenten ausgehen. Sein Cutter wird frei, weil es eine höchstpersönliche Leistung war, die nicht mehr nachgeholt werden konnte (z.B., weil das Video für einen bestimmten Termin fertig sein musste), aber der Produzent nicht, weil er vielleicht verpasst hat, rechtzeitig einen Ersatz-Cutter zu beschaffen.
Wie man sieht, es gibt eigentlich primär zwei Möglichkeiten, wenn der Anbieter einer Dienst- oder Werkleistung die Dienstleistung wegen Corona nicht erbringt. Entweder
- liegt unverschuldete Unmöglichkeit vor, dann werden beide Parteien von der Verpflichtung zur Leistung frei
- liegt keine Unmöglichkeit vor oder der Schuldner hat nicht ausreichende Vorkehrungen getroffen (Verschulden) und der Gläubiger hat Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung.
Die Konsequenzen sind also durchaus erheblich, wenn der Anbieter der Dienst- oder Werkleistung nicht aufgrund wirklicher Unmöglichkeit nicht leistet. Er muss Schadensersatz statt der Leistung zahlen. Das umfasst dann regelmäßig auch den entgangenen Gewinn des Gläubiers.
Dabei gilt grade in Subunternehmer Verhältnissen, dass eben auch der Gewinn aus dem Hauptauftrag zu ersetzen ist. Lag im Beispiel des Cutters z.B. nur ein Erschwernis vor, aber keine Unmöglichkeit, kann er wegen seiner ausgebliebenen Leistung auf den entgangenen Gewinn des Videoproduzenten haften. Dieser kann durchaus 100.000 Euro betragen, obwohl die vereinbarte Vergütung des Cutters nur 1.000 euro betrug. Eine Begrenzung auf das verenbarte Entgelt gibt es hier nicht.
Als Anbieter einer Dienst- oder Werkleistung solltest Du Dich also hüten, die Leistung ohne echte Unmöglichkeit nicht zu erbringen.
III. Wann gibt es ein Leistungsverweigerungsrecht wegen Erschwernis?
Insgesamt kann eine Unmöglichkeit wegen Corona eintreten, die Anforderungen sind jedoch recht hoch. Insofern wird in vielen Fällen keine eindeutige Unmöglichkeit vorliegen. Der Schuldner kann sich aber mit leicht geringeren Anforderungen auch auf ein Leistungsverweigerungsrecht berufen, wenn ihm die Leistung unzumutbar erschwert ist.
§ 275 Abs. 2 BGB bestimmt:
„Der Schuldner kann die Leistung verweigern, soweit diese einen Aufwand erfordert, der unter Beachtung des Inhalts des Schuldverhältnisses und der Gebote von Treu und Glauben in einem groben Missverhältnis zu dem Leistungsinteresse des Gläubigers steht. Bei der Bestimmung der dem Schuldner zuzumutenden Anstrengungen ist auch zu berücksichtigen, ob der Schuldner das Leistungshindernis zu vertreten hat.“
1. Was ist unzumutbarer Aufwand wegen Corona?
Hier sind die Anforderungen immerhin etwas geringer. Muss der Schuldner wegen des Corona Virus unzumutbare Anstrengungen unternehmen, um die Leistung zu ermöglichen, kann er die Leistung verweigern, der Gläubiger kann sie dann nicht mehr fordern.
Das kommt vor allem dann in Betracht, wenn die Leistung
- nachholbar ist
- oder nicht persönlich zu erbringen ist, aber die Ersatzbeschaffung sehr teuer.
Der Schuldner muss grundsätzlich alle Anstrengungen unternehmen, um die Leitung zu ermöglichen. Unzumutbar teure Anstrengungen muss er dabei aber nicht unternehmen. Für einen Reiseveranstalter ist etwa entschieden worden, dass er die Reisenden nicht anderweitig unterbringen muss, wenn das das 6-fache des Reisepreises kosten würde. Wo hier genau die Grenze zu ziehen ist, lässt sich aber kaum angeben. Grundsätzlich wird die Ausnahme aber eng ausgelegt. Steigen die Kosten um weniger als 100%, reicht das eher nicht aus. Ansonsten kommt es aber auch auf das vernünftige Interesse des Gläubigers an, es kann sein, dass die Gerichte in diesen Fällen später auch ein gewisses Verständnis von dem Gläubiger fordern und die Anforderungen etwas geringer ausfallen.
Auch bei der Nachholbarkeit der Leistung kommt es darauf an, ob und inwieweit diese zumutbar ist. Wird etwa ein Kurs abgesagt wegen Corona, der für viele Wochen sonntäglich stattfinden sollte, kann es sein, dass bis zum nächsten Kurs keine Zeit mehr besteht – ähnlich, wie vielleicht auch dann die Bundesliga nicht nachgeholt werden kann, wenn bereits die neue Saison beginnt. Ist die Leistung aber nicht von dem Trainer persönlich zu erbringen, kann in Betracht kommen, dass der Kursleiter die Nachholung durch einen Dritten ermöglichen muss. Ist die Leistung persönlich zu erbringen, kann man vielleicht als zumutbar ansehen, wenn der Trainer zwei Kurse à zwei Stunden abhalten muss, aber sicher nicht, wenn es zwei acht Stunden Kurse wären.
Was zumutbarer Aufwand ist, entscheidet sich auch anhand des Verschuldens. Hat der Schuldner naheliegende Vorkehrungen nicht getroffen, kann von ihm ggf. mehr Anstrengung erwartet werden.
2. Was sind die Rechtsfolgen der Leistungsverweigerung?
Verweigert der Schuldner berechtigt die Leistung, sind die Rechtsfolgen die gleichen wie bei der Unmöglichkeit, der Schuldner muss nicht leisten, der Gläubiger nicht zahlen und bekommt gezahlte Gelder zurück.
IV. Wann kann die Leistung aus persönlichen Gründen verweigert werden?
Geht es um Leistungen, die persönlich zu erbringen sind, insbesondere, wenn Subunternehmer vertraglich ausgeschlossen sind oder der Vertrag grade im Hinblick auf besonderes Vertrauen in die Leistungen des Schuldners abgeschlossen wurde, gibt es noch eine Bestimmung über ein Leistungsverweigerungsrecht in § 275 Abs. 3 BGB:
„Der Schuldner kann die Leistung ferner verweigern, wenn er die Leistung persönlich zu erbringen hat und sie ihm unter Abwägung des seiner Leistung entgegenstehenden Hindernisses mit dem Leistungsinteresse des Gläubigers nicht zugemutet werden kann.“
1. Was sind unzumutbare persönliche Anstrengungen?
Hier gilt als Schulbeispiel die Sängerin (oder der Sänger natürlich), die das Konzert absagen muss, weil sie sich um ihr lebensgefährlich erkranktes Kind kümmern musste. Im Angesicht der Schuld- und Kindergartenschließungen durch Corona dürfen Erschwernisse wegen Kinderbetreuung recht häufig auftreten. Allein die Betreuung ist aber kaum je eine unzumutbare Härte, so dass allein als Lösungsgrund nicht ausreicht.
Zudem kommt es immer darauf an, ob tatsächlich die Leistung persönlich zu erbringen war. Kann der Schuldner auch jemand anderes schicken, ist Abs. 3 ausgeschlossen. Insbesondere Agenturen müssen praktisch nie in einer bestimmten Person leisten.
Auch das Leistungsverweigerungsrecht aus persönlichen Gründen wird eng ausgelegt. Es wird ebenfalls nur in recht wenigen Fällen ein Ausweg aus der Leistungspflicht sein.
2. Was sind die Rechtsfolgen der Leistungsverweigerung aus persönlichen Gründen?
Verweigert der Schuldner berechtigt die Leistung aus persönlichen Gründen, sind die Rechtsfolgen erneut die gleichen wie bei der Unmöglichkeit, der Schuldner muss nicht leisten, der Gläubiger nicht zahlen und bekommt gezahlte Gelder zurück.
V. Was gilt bei kurzfristiger Krankheit beim Dienstvertrag?
Nach § 616 BGB gilt:
„Der zur Dienstleistung Verpflichtete wird des Anspruchs auf die Vergütung nicht dadurch verlustig, dass er für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein Verschulden an der Dienstleistung verhindert wird. 2Er muss sich jedoch den Betrag anrechnen lassen, welcher ihm für die Zeit der Verhinderung aus einer auf Grund gesetzlicher Verpflichtung bestehenden Kranken- oder Unfallversicherung zukommt.“
Die Norm ist ersichtlich vor allem auf Arbeitsverhältnisse zugeschnitten. Er kann vor allem dann herangezogen werden, wenn der Dienstnehmer immer wieder kehrende Stunden leistet. Dann kann er bei Krankheit, aber auch bei der Pflege eines kranken Kindes dem Dienstnehmer einen Anspruch auf das vereinbarte Entgelt ohne Arbeit geben. Näheres dazu findest Du hier.
§ 616 kann jedoch vertraglich ausgeschlossen werden. Bei völlig frei zu leistenden Stunden, die nach Stunden abgerechnet werden, kann es sein, dass er als stillschweigend abbedungen angesehen wird. Für Dienstnehmer, die auf die Einnahmen angewiesen sind und sehr erheblich für einen Auftraggeber arbeiten, kann § 616 BGB aber mal einen Anspruch gewähren. Tatsächlich habe ich aber noch nie erlebt, dass ein freier Dienstnehmer den Anspruch geltend gemacht hat.
VI. Was sind die praktischen Konsequenzen von Corona
Insgesamt ist es eher selten, dass Du als Schuldner oder Gläubiger einer Dienstleistung wegen Unmöglichkeit von der Verpflichtung zur Leistung frei wirst. Allein Erschwernisse durch Corona reichen nicht aus.
Schafft der Schuldner die Leistung nicht rechtzeitig, kann der Gläubiger dem Schuldner nach der Fälligkeit immer eine angemessene Frist nach § 281 BGB zur Erbringung der Leistung setzen. Leistet der Schuldner dann nicht, kann der Gläubiger Schadensersatz statt der Leistung gem. § 280 BGB geltend machen.
Damit konfrontiert, bleibt Dir also nichts anderes, als aktiv darzulegen, warum Du an der Leistung gehindert warst. Das sollte am besten eine unverschuldete Unmöglichkeit oder ein Leistungsverweigerungsrecht wegen unzumutbarer Anstrengung oder aus persönlichen Gründen rechtfertigen. Sonst kann der Gläubiger Schadensersatz fordern und das kann (sehr) teuer werden.
Teil 2: Was gilt für Corona-Hindernisse bei dem Nachfrager der Dienstleistung?
Als zweites betrachten wir Hindernisse, die Dich als Nachfrager (Abnehmer) einer Dienst- oder Werkleistung betreffen können:
I. Dienst- und Werkvertag
1. Wann ist die Annahme der Dienstleistung unmöglich?
Der Corona Virus kann auch die Annahme einer Dienstleistung unmöglich machen. Klassisches Beispiel sind hier grade die vielen Absagen von Veranstaltungen. Wird die Event-Agentur nach Hause geschickt, der Sprecher storniert und dem Moderator abgesagt, weil die Veranstaltung behördlich untersagt ist, ist das ein klarer Fall der rechtlichen Unmöglichkeit. Das gleiche gilt, wenn etwa Sportstudios oder sonstige Veranstaltungsräume geschlossen werden.
Dann gilt wiederum § 275 Abs. 1 BGB, die Leistung ist unmöglich, der Gläubiger wird von der Verpflichtung zur Leistung der Gegenleistung (des vereinbarten Entgelts) nach §§ 275, 326 BGB frei.
2. Wann kommt der Gläubiger einer Dienstleistung in Annahmeverzug?
§ 275 BGB war jedoch wie gesehen eng auszulegen. Ist die Veranstaltung nicht behördlich verboten, liegt eine Unmöglichkeit nicht vor. Sagt der Veranstalter also ab, weil er einfach nicht ausreichend Teilnehmer wegen Corona befürchtet, ist eine Unmöglichkeit nicht gegeben. Der Veranstalter gerät dann nur in Annahmeverzug nach § 615 BGB. Er muss dann die vereinbarte Vergütung abzüglich der ersparten Aufwendungen zahlen. Diese Ersparnisse können bei dem Event Manager erhebliche Personalkosten für den Aufbau sein, bei dem Moderator sind es aber oft allenfalls die Anreisekosten.
Es kann aber sein, das Gerichte inzwischen im Hinblick auf die umfangreichen Warnungen davon ausgehen, das eigene Absagen von Veranstaltungen berechtigt sind. Sicher ist das aber nicht. Möchte etwa die Anbieterin eines Schminkkurses diesen am liebsten wegen der Gefahren absagen, bewegt sie sich auf dünnem Eis, wenn nicht wirklich bereits ein behördliches Verbot gegeben ist. Auch wenn ich hoffe, das die Gerichte sich hier später verständig zeigen, eine Unmöglichkeit ist nach den gängigen Kriterien nicht ohne weiteres anzunehmen. Um Schadensersatzforderungen zu vermeiden, sollte sie sich also um eine einverständliche Lösung mit den Teilnehmern oder eine Verlegung bemühen.
§ 615 BGB ist aber nur im Dienstvertrag anwendbar. Das sind nur Verträge, bei denen kein Erfolg geschuldet ist. Das können vor allem Verträge von virtuellen Assistenten oder Beratungsverträge sein.
VII. Nur Werkvertrag
Im Werkvertrag gelten ein paar Besonderheiten. Die meisten Verträge von Kreativen und Online Unternehmern sind Werkverträge, in denen ein konkreter Erfolg geschuldet wird: eine Website, Code, Texte, Bilder, Grafiken etc.
1. Wann kommt der Gläubiger einer Werkleistung in Annahmeverzug?
Eine Werkleistung kann ebenfalls unmöglich werden, wenn der Besteller nicht in der Lage ist, die Leistung anzunehmen. Das sind die gleichen Fälle wie oben zu 1. Liegt aber keine Unmöglichkeit vor, kann der Besteller nur nach § 649 BGB den Werkvertrag kündigen. Wie bei § 615 BGB hat der Schuldner dann nach § 649 BGB Anspruch auf die vereinbarte Vergütung abzüglich der ersparten Aufwendungen.
2. Die Besonderheit des § 645 BGB
Eine gewisse Erleichterung kann sich aber aus § 645 BGB ergeben. Danach hat der Werkunternehmer (Schuldner) einen Anspruch nur auf den Teil der Vergütung, der bereits geleisteten Leistungen, wenn dem Schuldner die Annahme der Leistung erschwert wird. In einer Entscheidung des Bundesgerichtshofes (BGHZ 60, 11) hat dieser § 645 BGB analog angewendet, weil der Gläubiger (Besteller), die Leistung nicht annehmen konnte, weil er sein Kind schwer erkrankt war. Das kann also für Coachees eine gewisse Ersparnis bedeuten, wenn Du aus diesem Grund die Leistung nicht annehmen kannst. Riesig ist die Ersparnis aber nicht, denn § 645 BGB gibt dem Werkunternehmer (Schuldner) auch einen Anspruch auf die Auslagen, die bereits bis zur Teilleistung für den gesamten Auftrag entstanden sind.
Zwischenergebnis zur Unmöglichkeit bei dem Gläubiger
Kannst Du eine Dienst- oder Werkleistung wegen Corona nicht rechtzeitig annehmen, kommt es auch hier drauf an, ob wirklich Unmöglichkeit gegeben ist. Wenn ja, musst Du auch den vereinbarten Preis für die Leistung nicht zahlen. Liegt aber keine eigentliche Unmöglichkeit vor – und das dürfte der Regelfall bleiben -, dann musst Du zwar keinen Schadensersatz zahlen, wohl aber die vereinbarte Vergütung abzüglich dessen, was der Schuldner erspart hat. Aber auch das kann sehr schmerzhaft sein, die Leistung bezahlen zu müssen, wenn man sie nicht mehr gebrauchen kann. Absagen außerhalb von wirklicher Unmöglichkeit solltest Du Dir also gut überlegen.
Es zeigt sich, wenn Du von dem Corona Virus betroffen bist, musst Du vor allem selbst der Schwierigkeiten Herr werden. Insbesondere bei
- behördlichen Verboten,
- zeitkritischen Leistungen oder
- persönlichen Leistungen
kommt eine Unmöglichkeit in Betracht, die im Ergebnis für eine Aufhebung des Vertrages sorgt.
Teil 3: Was kann ich vertraglich regeln?
Mit vertraglichen Regelungen kannst Du Dich durchaus etwas besser absichern.
1. Hilft eine Klausel zur Zulässigkeit von Subunternehmern bei Corona Fällen?
Wie oben gesehen, kann nach § 275 Abs. 3 BGB eine Unmöglichkeit leichter eintreten, wenn Du persönlich zur Leistung verpflichtet bist. Die Anforderungen sind aber hoch und sie treffen Dich dann persönlich. Von daher sollte möglichst vereinbart werden, dass Du Deine Leistung auch durch Dritte (z.B. Subunternehmer) erbringen kannst. So kannst Du vielleicht immer noch die Leistung erbringen und ersparst Dir einigen Aufwand und Ärger. In den Verträgen und AGB von easyContracts.de ist eine solche Klausel enthalten, soweit rechtlich zulässig.
2. Hilft ein Selbstbelieferungsvorbehalt bei Corona Fällen?
Richtig nützlich ist in Fällen wie Corona ein Selbstbelieferungsvorbehalt. Jedenfalls im Werkvertrag (aber auch beim Kaufvertrag) kann eine solche Klausel bewirken, dass Du keinen Schadensersatz statt der Leistung nach §§ 281, 280 BGB zahlen musst.
Im Fall des Cutters hatten wir gesehen, dass der Videoproduzent haften kann, obwohl der Cutter wegen Hindernissen durch Corona von der Leistung frei geworden ist. Hier kann ein Selbstbelieferungsvorbehalt durchaus mal eine wirksame Haftungsbefreiung bewirken. In den Verträgen und AGB von easyContracts.de ist ein Selbstbelieferungsvorbehalt enthalten, soweit zulässig.
Wenn Du eine solche Klausel für Deinen Vertrag benötigst, frage sie gern unter mail@easyContracts.de an.
Mehr über Allgemeine Geschäftsbedingungen findest Du in diesem Beitrag.
Wenn Du Soforthilfe beantragen möchtest, findest Du fast alle Antworten zu den Soforthilfe-Anträgen in den einzelnen Bundesländern in meinem umfangreichen Guide zu den Soforthilfen.
Noch mehr Antworten zu den Rechtsfolgen von Corona findest Du in meinem Interview bei der Kontist Stiftung:
Alle Vorteile zu AGB’s findest Du hier.
Dr. Ronald Kandelhard, Rechtsanwalt und Mediator, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht. Ronald war lange Zeit an der Universität, in der Rechtsberatung von Staaten und als Rechtsanwalt tätig. Jetzt entwickelt er mit seinem Startup Paragraf7 automatisierte Lösungen für rechtliche Probleme von Unternehmen.