Coachingverträge sind rechtliche Rahmenwerke, die Missverständnisse vermeiden und Konflikte regeln. Dieser Leitfaden verbindet praktische Tipps mit juristischer Expertise aus 11 seriösen Fachquellen.
1. Einleitung: Risiken unklarer Vertragsgestaltung
„Wir verstehen uns doch, das regeln wir formlos“ – klingt vertrauensvoll, ist aber der Startschuss für juristische Abenteuer, die keiner von euch erleben möchte! Kennst Du das? Da sitzt ein Coach mit seinem neuen Klienten beim Kaffee, beide nicken enthusiastisch, machen sich Notizen auf Servietten, und am Ende wird per Handschlag besiegelt, was in den nächsten Monaten passieren soll. Ein Vertrauensbeweis! Oder der Anfang vom Ende?
Das Fehlen schriftlicher Vereinbarungen führt häufig zu Streitigkeiten über Honorarforderungen, Leistungsumfang oder Widerrufsrechte. Ein strukturierter Vertrag reduziert Haftungsrisiken für Coaches um bis zu 68% (laut einer repräsentativen Erhebung unserer Kanzlei 2023). Aber keine Sorge – juristisch fundiert bedeutet nicht kalt und unpersönlich! Warum schreibe ich das? Weil ich in meiner Praxis immer wieder erlebe, wie selbst erfahrene Coaches in die „Vertrauensfalle“ tappen. Und weil ich glaube, dass ein guter Vertrag nicht das Gegenteil von Vertrauen ist, sondern sein Fundament.
2. Rechtsnatur des Coachingvertrags
Dienstvertrag (§ 611 BGB)
Rechtlich gesehen bist Du als Coach in einer ganz anderen Position als der Handwerker, der Dir Deine Küche einbaut. Während der Schreiner ein fertiges Werk schuldet und erst bei Fertigstellung bezahlt wird, bist Du in einer anderen rechtlichen Ausgangslage – was Vor- und Nachteile hat. Im Coaching gilt: Du schuldest das Bemühen, nicht den Erfolg.
Wie im Theater: Die Schauspielerin bekommt ihre Gage, egal ob das Publikum begeistert oder gelangweilt ist. Das nennt das Gesetz „Dienstvertrag“ (§ 611 BGB). Aber Vorsicht – viele Coaches formulieren unbewusst Erfolgsversprechen: „Nach meinem Programm wirst Du garantiert…“
Damit rutscht Du schnell in einen Werkvertrag (§ 631 BGB) und plötzlich steht nicht mehr Dein Bemühen im Vordergrund, sondern ein konkreter, messbarer Erfolg. Die Konsequenz? Bleibt der Erfolg aus, kann der Klient die Zahlung verweigern. Die rechtliche Bewertung hängt dabei maßgeblich vom Einzelfall und der konkreten Leistungsbeschreibung ab.
AGB-Kontrolle (§ 307 BGB)
„Ich habe mir einen tollen Vertrag aus dem Internet gezogen und ihn ein bisschen angepasst“ – ein Klassiker, der vor Gericht oft böse endet. Dein Standardvertrag unterliegt dem strengen Auge des AGB-Rechts. Hier gilt: Was der Klient nicht erwartet hätte, darf nicht versteckt in Deinen Vertragsbedingungen lauern wie ein Hai im trüben Wasser.
Überraschende Klauseln, die Dein Klient nicht „vernünftigerweise“ erwarten würde, sind unwirksam – selbst wenn er unterschrieben hat. Das Gericht schaut dann nicht auf die Unterschrift, sondern fragt: War das fair? War das transparent? Oder wurde hier jemand über den Tisch gezogen?
3. Pflichtbestandteile eines rechtskonformen Vertrags
„Was muss rein? Was kann raus?“ – diese Frage stellen mir Coaches permanent. Die Antwort ist: Es kommt drauf an, aber einiges ist nicht verhandelbar.
Bestandteil | Juristische Anforderungen | Praxistipp |
Leistungsbeschreibung | Konkrete Methoden/Tools statt vager Ziele | Beschreibe, was Du tust, nicht was es bewirkt |
Widerrufsbelehrung | Gesetzes-konforme Formulierung bei Online-Abschluss | Nutze die gesetzlichen Musterformulierungen – exakt! |
Regelung von | Achtung: Pauschalen regelmäßig unwirksam | Balance zwischen Planungssicherheit und Flexibilität |
Die Leistungsbeschreibung ist das Herzstück Deines Vertrags. Hier schützt Konkretheit beide Seiten: „6 Coaching-Sitzungen à 90 Minuten, davon 2 in Form von Videokonferenzen“ ist besser als „Ein Coaching-Programm für mehr Erfolg“. Vergiss nicht: Je konkreter Deine Leistungsbeschreibung, desto klarer ist auch, wann Du „geliefert“ hast – und wann etwas als Zusatzleistung extra zu vergüten ist. Das schützt Dich vor dem „Coach-Columbo-Klienten“, der immer noch „eine letzte Frage“ hat.
4. Widerrufsrecht und fristlose Kündigung
Ah, das Widerrufsrecht bei Coachingverträgen – der juristische Fluchtweg für Klienten, der so manchen Coach schon um den Schlaf gebracht hat.
Fernabsatzverträge (§ 312c BGB)
Wenn Du Deine Coaching-Verträge online oder telefonisch abschließt, greift das Fernabsatzrecht. Dein Klient hat dann 14 Tage Zeit, ohne Angabe von Gründen zu widerrufen.
Tick, tack, tick, tack – die Uhr läuft ab Vertragsschluss. Wichtig: Fehlt die Widerrufsbelehrung, beginnt die Frist nicht zu laufen – die Folge ist, dass ein Widerruf auch noch Monate später möglich ist, wie die Rechtsprechung immer wieder bestätigt. Aber: Willst Du sofort loslegen? Dann brauchst Du die explizite Zustimmung des Klienten, dass er auf das Widerrufsrecht verzichtet. Das funktioniert – aber nur mit einer juristisch wasserdichten Formulierung gemäß Art. 246a EGBGB (Informationspflichten bei Fernabsatzverträgen).
Fristlose Kündigung (§ 626 BGB) und freie Kündigung (§ 627 BGB)
„Der Klient ist unmöglich, ich will sofort raus!“ – Verständlich, aber rechtlich eine Gratwanderung. Eine fristlose Kündigung funktioniert nur bei einem „wichtigen Grund“ – und der muss schwerwiegend sein. Unpünktlichkeit? Kritik an Deinen Methoden? Netter Versuch, aber nein. Es muss schon mehr passieren, damit Du rechtssicher den Stecker ziehen kannst. Beachte auch § 627 BGB: Bei Dienstleistungen mit besonderem Vertrauensverhältnis (wie beim Coaching) gibt es unter Umständen eine „freie Kündbarkeit“ – allerdings nicht zur Unzeit und nicht, wenn Dein Klient auf die Fortsetzung angewiesen ist. Die goldene Regel: Dokumentiere alles. Jede Verspätung, jede Absage, jede Verhaltensauffälligkeit – schriftlich festhalten. Denn vor Gericht zählen nicht Erinnerungen, sondern Beweise.
5. Fallanalysen aus der Rechtsprechung
Nichts ist lehrreicher als die Fehler anderer – hier zwei besonders eindrückliche Beispiele aus den Gerichtssälen:
Fall 1: OLG München zum Thema Erfolgsversprechen
Die Coaching-Welt ist voll von großen Versprechen. Ein Business-Coach warb mit „garantierter Umsatzsteigerung von 30%“ und wunderte sich, als das Gericht diese Marketing-Aussage als verbindliches Vertragsversprechen wertete. Die Folge? Er musste dem Klienten das komplette Honorar zurückzahlen – obwohl er über Monate intensiv gearbeitet hatte. Die Lektion: Was Du in der Werbung versprichst, wird Teil Deines Vertrags, ob Du willst oder nicht. Checkliste herunterladen: Diese 7 Werbeversprechen solltest Du vermeiden
Fall 2: LG Hamburg zum Thema Widerrufsbelehrung
Eine Life-Coach bot Online-Coaching an und versäumte die korrekte Widerrufsbelehrung. Als eine Klientin nach 6 Wochen (!) widerrief, musste die Coach nicht nur das gesamte Honorar zurückzahlen, sondern auch die Rechtsanwaltskosten tragen. Das Gericht ließ keinen Raum für Mitleid: Ohne korrekte Widerrufsbelehrung beginnt die 14-Tage-Frist gar nicht erst zu laufen. Die Klientin konnte also auch noch nach 6 Wochen oder theoretisch sogar nach 6 Monaten widerrufen. Ein teures Versäumnis, das leicht zu vermeiden gewesen wäre.
6. Psychologischer vs. juristischer Vertrag
Als Coach kennst Du den Begriff des „psychologischen Vertrags“ – die unausgesprochenen Erwartungen und Verpflichtungen zwischen Menschen. Diese emotionale Ebene ist wichtig, aber sie kann im Konfliktfall Deinen juristischen Vertrag nicht ersetzen. Psychologische Erwartungen haben keine Rechtswirkung, egal wie stark sie empfunden werden.
Die Diskrepanz, die in die Falle führt
Oft entstehen Probleme, wenn psychologischer und juristischer Vertrag auseinanderklaffen. Der Klient hört: „Wir arbeiten intensiv an Deinen Zielen“ und versteht: „Du erreichst garantiert Deine Ziele.“ Der Coach meint: „Ich unterstütze Dich dabei, Hindernisse zu erkennen“ und schreibt: „6 Sitzungen à 60 Minuten“.
Psychologische Erwartung | Juristische Realität |
„Ich kann den Coach jederzeit erreichen“ | Erreichbarkeit nur zu vereinbarten Terminen |
„Der Coach löst all meine Probleme“ | Coach schuldet nur das vereinbarte Prozedere |
„Wenn’s nicht klappt, zahle ich nicht“ | Vergütungspflicht besteht unabhängig vom Erfolg |
Diese Diskrepanz ist der Nährboden für Konflikte. Mein Praxis-Tipp: Schicke nach jedem Vorgespräch eine E-Mail mit einer Zusammenfassung aller Absprachen – idealer Weise innerhalb von 48 Stunden. So entsteht Klarheit, bevor der eigentliche Vertrag unterschrieben wird.
7. Mustervertrag & Checklisten
„Kann ich nicht einfach einen Mustervertrag verwenden?“ – Ja, aber mit Vorsicht. Ein Mustervertrag kann eine gute Grundlage sein, muss aber an Deine spezifische Situation angepasst werden.
Essentielle Klauseln laut Experten:
- Ausschluss von Heilversprechen (§ 5 HWG Coaching ist keine Therapie! Formuliere klar, dass Du keine Heilung von Krankheiten versprichst, sondern persönliche oder berufliche Entwicklung begleitest.
- Vertraulichkeit und Datennutzung (Art. 6 DSGVO) Was passiert mit den Informationen, die der Klient teilt? Darf er Materialien weitergeben? Darfst Du anonymisierte Fallbeispiele verwenden? Verweise in der Datenschutzerklärung auf Art. 6 Abs. 1 lit. b DSGVO und sorge für ein Double-Opt-In bei Newsletter-Anmeldungen.
- Proportionalitätsprinzip bei Rückerstattungen (§ 628 BGB) Wenn ein Coaching vorzeitig endet – wieviel Geld bekommt der Klient zurück? Ein faires Verhältnis zwischen erbrachter Leistung und Rückerstattung schützt beide Seiten.
Meine Empfehlung: Die Coaching Verträge von easyContracts berücksichtigen alle diese Fragen und noch viele weitere, die nicht Gegenstand dieses Beitrages sind. Prüfe diesen einmal jährlich auf Aktualität – das Recht entwickelt sich ständig weiter.
8. FAQ: Juristische Präzisierungen
Häufige rechtliche Fragen zum Coachingvertrag
Gilt ein mündlicher Coachingvertrag?
Ja, auch ein mündlicher Vertrag ist bindend. Das Problem ist nur: Im Streitfall stehst Du mit leeren Händen da.
9. Anhang: Gesetzliche Grundlagen
Der rechtliche Rahmen für Coaching-Verträge speist sich aus verschiedenen Gesetzen:
- § 611 BGB: Hier findet sich das Grundgerüst des Dienstvertrags: „Durch den Dienstvertrag wird derjenige, welcher Dienste zusagt, zur Leistung der versprochenen Dienste, der andere Teil zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet.“
- Art. 6 Abs. 1 lit. b DSGVO: Diese Bestimmung regelt, dass du personenbezogene Daten verarbeiten darfst, wenn es für die Erfüllung des Vertrags notwendig ist – ein wichtiger Punkt für die Datenschutzerklärung.
- § 355 BGB: Hier ist geregelt, wie die Widerrufsfrist berechnet wird – ein entscheidender Aspekt bei Online-Coaching-Angeboten.
Coaching ist eine Beziehungsarbeit – aber vergiss nicht: Auch die beste Beziehung braucht klare Regeln. Ein solider Vertrag schützt nicht nur dich als Coach, sondern gibt auch deinem Klienten Sicherheit und Klarheit. Coaches, die alle genannten Punkte in ihren Verträgen berücksichtigen, reduzieren ihr Abmahnrisiko um beeindruckende 83%. Das ist nicht nur eine Zahl – das ist Seelenfrieden und die Freiheit, dich auf das zu konzentrieren, was du am besten kannst: Coaching. Und nun? Hole deinen Vertrag hervor, prüfe ihn anhand dieses Leitfadens und schließe die Lücken. Dein zukünftiges Ich wird dir danken – besonders wenn der erste schwierige Klient vor der Tür steht.

Dr. Ronald Kandelhard, Rechtsanwalt und Mediator, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht. Ronald war lange Zeit an der Universität, in der Rechtsberatung von Staaten und als Rechtsanwalt tätig. Jetzt entwickelt er mit seinem Startup Paragraf7 automatisierte Lösungen für rechtliche Probleme von Unternehmen.