Vermeide ungeahnte Kostenfallen und passe Deine Angebote, Verträge und AGB an das neue Recht an
von Dr. Ronald Kandelhard, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht und Kolja Strübing, Rechtsreferendar Ab dem 01.01.2022 gelten neue Regelungen für Verträge über digitale Inhalte. Das ist für viele Online Unternehmerinnen bedeutsam. Damit muss der Gesetzgeber die EU – Richtlinie 2019/77 umsetzen. Mit dieser soll das Vertragsrecht an die Digitalisierung angepasst werden. Finde hier, wann dies für Dich relevant ist (hint: praktisch für jede Unternehmerin, die auch digital arbeitet) und wie Du Dich darauf einstellen kannst.
1. Gilt die Richtlinie auch für mich?
Die Richtlinie betrifft erst mal nur Verträge mit Verbraucherinnen (B2C). Wenn Du nur B2B Kundinnen hast, also nur Unternehmen, ist die Richtlinie für Dich nicht relevant. Nähere Informationen zu der Abgrenzung findest Du hier. Für die meisten Webdesignerinnen, virtuelle Assistentinnen, Programmiererinnen, Texterinnen und reine Unternehmensberaterinnen können wir daher Entwarnung geben.
2. Wann habe ich Verbraucherinnen als Kundinnen?
Wenn Du aber auch Verbraucherinnen als Kundinnen hast, kannst Du als Online Unternehmerin von der Richtlinie betroffen sein. Grundsätzlich dürfte das für viele Coaches, Fotografinnen, Kursanbieterinnen, Mitgliederbereich-Anbieterinnen, Trainierinnen und viele SAS-Anbieterinnen gelten. Die Regelung gilt aber nicht für alle Verbraucherverträge, sondern nur für solche, die digitale Inhalte oder digitale Dienstleistungen zum Gegenstand haben.
3. Was sind digitale Inhalte?
Mit „digitalen Inhalten“ sind Daten gemeint, die in digitaler Form erstellt und bereitgestellt werden, d.h. beispielsweise Textdateien, Bilddateien, Audio- und Videodateien usw. Wenn Du zum Beispiel einen Videokurs anbietest und Deinen Kundinnen die Videos zur Verfügung stellst, bist Du von den neuen Regeln betroffen. Zur Verfügung stellen bedeutet dabei weniger als die Auslieferung von Dateien. Es kommt nur darauf an, dass Du den Kundinnen die Daten bereitstellst. Dafür reicht es, wenn sie vom Kunden abgerufen oder gestreamt werden können. Die Digitale Inhalte – Richtlinie soll für alle Arten der Datenübermittlung gelten (Erwägungsgrund 19 der Richtlinie) – unabhängig davon, ob dem Kunden eine Kopie zur Verfügung gestellt wird, oder nicht. Damit gilt das neue Schuldrecht für digitale Inhalte für Dich, wenn Du
- online Kurse anbietest, gleichgültig, ob Du nur
- Text-,
- nur Bild-,
- nur Präsentations-,
- nur Video-,
- nur Audio-Dateien anbietest oder
- eine oder mehrere davon in Kombination
- online Webinare anbietest,
- online Beratungen anbietest,
- online coacht – unabhängig davon, ob davon eine Aufzeichnung erstellt wird oder nicht,
- online Trainings anbietest, z.B. Fitness oder Yoga,
- online Reden oder Moderationen anbietest,
- als Fotografin oder Videografin die Bilder in digitaler Form auslieferst,
- als Designerin die Grafiken oder sonstigen Gestaltungen in digitaler Form auslieferst,
- als Podcasterin digitale Audios auslieferst,
- als Texterin oder Übersetzerin Textdateien auslieferst (sofern – wie selten, aber möglich – B2C),
- und vieles mehr (wenn Dir noch weitere Anwendungsfälle einfallen, hinterlasse gern einen Kommentar).
4. Was sind digitale Dienstleistungen?
Digitale Dienstleistungen sind Dienstleistungen, die die Erstellung, Verarbeitung oder Speicherung von Daten in digitaler Form sowie den Zugriff auf sie ermöglichen, einschließlich Software-as-a-Service.
a) Sind digitale Inhalte weit zu verstehen?
Digitale Dienstleistungen sind damit kaum von digitalen Inhalten zu unterscheiden. An die Unterscheidung zwischen digitalen Inhalten und digitalen Dienstleistungen knüpfen sich auch keine Rechtsfolgen. Vermutlich möchte der Gesetzgeber einfach einen weiten Anwendungsbereich schaffen und möglichst alle digitalen Produkte einbeziehen. Also: immer, wenn Du Deine Leistung (auch) digital auslieferst, gilt die Richtilinie (z.B: Fotografin liefert entwickelte oder gedruckte Fotos und zugehörige Dateien ; anders, wenn Du nur die Fotos als Druck lieferst – also heutzutage praktisch nie mehr).
b) Gilt das nur für kostenpflichtige Produkte oder auch meinen Blog oder mein Freebie?
Kostenlose Leistungen werden von der Richtilinie nicht erfasst. Es muss nach dem Gesetzesentwurf um einen Vertrag gehen, der die Bereitstellung des digitalen Produktes gegen Zahlung eines Preises beinhaltet. Nicht anwendbar sind die Neuregelungen daher z.B. auf öffentliche Blogposts, Social Media Inhalte, komplett freie Downloads oder Suchmaschinen – denn hier gibt es keinen Vertrag. Neu ist aber, dass mit „Zahlung eines Preises“ nicht nur Geld gemeint ist. Auch wenn der Verbraucher mit personenbezogene Daten „bezahlen“ soll, gelten die neuen Regeln. Ist der Blogpost daher bspw. nicht öffentlich, sondern erst zugänglich, nachdem der Verbraucher personenbezogene Daten zur Verfügung gestellt hat, so ist der Anwendungsbereich eröffnet. Damit unterfallen insbesondere alle digitalen Freebies dem neuen digitalen Schuldrecht. Dein Online Kurs, Dein E-Book, Deine Checkliste, Dein Text, Dein digitaler Inhalt, den Du für die Eintragung in Deinen Newsletter anbietest, ist damit von der Richtlinie betroffen. Der Anwendungsbereich der Digitale Inhalte – Richtlinie ist damit recht weit; nur für Kaufverträge über Sachen mit digitalen Elementen gelten allein die Regeln zur Umsetzung der Warenkaufrichtlinie. Das sind aber nur Gegenstände, die mit Software verbunden werden. Das wird für die wenigsten Online Unternehmerinnen und Dienstleisterinnen relevant werden.
5. Muss ich meine digitalen Inhalte immer aktuell halten?
Die wichtigste Neuerung ist Deine Pflicht als Online-Unternehmerin, den Kundinnen Updates zur Verfügung zu stellen. Durch die Updates soll sichergestellt werden, dass das Produkt während eines gewissen Zeitraums (dazu unten) richtig funktioniert. Unabhängig von der Funktion des digitalen Produkts sind zudem Sicherheitsupdates von der Aktualisierungspflicht umfasst. Was?, ich muss immer aktualisieren?, auch wenn die Kundin längst erledigt ist?, fragst Du? Im Grundsatz ja, aber bei richtiger Gestaltung kannst Du diese Pflicht bedeutend abmildern. Aber erst mal zurück zu den Grundlagen. Stellst Du der Verbraucherin erforderliche Updates nicht zur Verfügung, liegt ein Sachmangel vor. In diesem Fall geht das Gesetz davon aus, das das Produkt nicht richtig funktioniert oder unsicher ist. Dann hat die Verbraucherin Mängelgewährleistungsrechte. Damit ein solcher Sachmangel auch tatsächlich bei der Verbraucherin durch ein Update behoben werden kann, muss diese das Update natürlich installieren. Unternimmt sie das nicht, obwohl sie über das Update informiert wurde, kann die Verbraucherin aus diesem Mangel keine Gewährleistungsrechte mehr ableiten.
6. Wie lange muss ich denn aktualisieren?
Leider ist noch nicht ganz klar, wie lange die Pflicht zur Aktualisierung anhält. Generell kommt es hier darauf an, was die Verbraucherin erwarten darf. Nicht sehr deutlich, meinst Du? Stimmt wohl, aber für eine erste Abgrenzung kann man zwei Fälle unterscheiden:
a) Was ist, wenn ich eine einmalige Leistung anbiete?
Bietest Du nur eine einmalige Leistung, sollte eigentlich keine Erwartung der Kundin möglich sein, dass es weitere Updates gibt. Ich würde dem zustimmen, soweit es um Inhalte geht, die ihrem Sinn nach nur einmalig bereit gestellt werden. Das sind alle digitalen Inhalte, die nur einmal gestreamt und nicht gespeichert werden. Das wären vor allem einmalige Webinare ohne Aufzeichnung, alle Online Coachings, Beratungen und Online Trainings. Hier wäre dann aber noch die Informationspflicht zu beachten (siehe dazu sogleich im Text).
b) Was gilt, wenn ich eine Datei bereit stelle?
Eine nur einmalige Leistung liegt aber bereits dann nicht mehr vor, wenn eine digitale Aufzeichnung zur Verfügung gestellt wird (wir erinnern uns, dafür reicht es, dass die Kundin ihn laden kann, dies kann also auch eine Bereitstellung etwa in einem Mitgliederbereich sein). Auch für Videos, Fotos oder eigentlich überhaupt alle Dateien kann eine Aktualisierungspflicht bedeutsam werden, wenn sich etwa Standards ändern. Was ist, wenn z.B. .jpg von einem anderen Standard abgelöst würde und dann auf neuesten Geräten nicht mehr angezeigt würde? Wie würde ein Richter hier entscheiden? Eine Aktualisierung würde ich hier verneinen, aber ich bin mir nicht sicher, ob das immer so entschieden würde. Soweit zu den technischen Änderungen, es sind aber auch inhaltliche Änderungen möglich. Ist Inhalt des Coachings, der Beratung, des Trainings, des Kurses, des Webinars (jeweils im Fall der Aufzeichnung) eine fachliche Darstellung, kann auch eine inhaltliche Aktualisierung erforderlich werden. Die deutlichsten Anwendungsfälle sind sicher rechtliche oder steuerliche Inhalte, die sich jederzeit ändern können. Hier dürfte dann eine Pflicht zur Aktualisierung anzunehmen sein, weil der Inhalt damit unrichtig werden kann. Damit würde die Mangelgewährleistung eingreifen. Aber auch in anderen Bereichen kann es neue Erkenntnisse geben, die genauso eine Aktualisierung erfordern, auch wenn ich vermute, dass hier kurzfristige Änderungen weniger häufig und eindeutig sind. Kommen solche Änderungen vor, bist Du als Online Unternehmerin jedenfalls zur Aktualisierung verpflichtet und musst ein Update ausliefern.
c) Wie lange muss ich denn eine einmalige Leistung aktualisieren?
Noch nicht ganz klar ist, wie lange die Aktualisierungspflicht bei generell einmaligen Leistungen reicht. Hier wird nach Erwägungsgrund 47 der Digitale Inhalte – Richtlinie wohl auf die Dauer der Gewährleistungsfrist abgestellt. Außerhalb von Dauerleistungen (dazu sogleich im Text), sind das generell 2 Jahre nach der Bereitstellung – die Dauer der gesetzlichen Gewährleistungsfrist.
d) Was ist, wenn ich eine Dauerleistung anbiete?
Wenn es sich um ein Produkt handelt, welches über einen bestimmten Zeitraum fortlaufend bereitgestellt wird – z.B. als Abo – müssen auch während des gesamten Zeitraums Updates zur Verfügung gestellt werden. Denn in dieser Zeit soll der Verbraucher ja ein Produkt erhalten, das dem Vertragszweck entspricht. Davon kann durch eine Vereinbarung abgewichen werden. Diese Vereinbarung ist dann allerdings mit einer Informationspflicht verbunden (dazu mehr unter 8.). Ob eine Dauerleistung oder eine einmalige Leistung vereinbart wurde, richtet sich dabei vorrangig nach der Vereinbarung. Falls aber nichts vereinbart wurde, ist für die vorzunehmenden Aktualisierungen der „Zeitraum, den der Verbraucher aufgrund der Art und des Zwecks des digitalen Produkts und unter Berücksichtigung der Umstände und der Art des Vertrags erwarten kann“ maßgeblich. Wie Ihr vielleicht bemerkt habt, ist diese Formulierung ziemlich unbestimmt. Das heißt, es wird im Streitfall möglicherweise unklar sein, wie lange der Aktualisierungszeitraum genau dauert. Deshalb empfehlen wir, im Zweifel den Aktualisierungszeitraum mit den Kunden explizit zu vereinbaren.
e) Und was ist, wenn ich die digitalen Inhalte nicht selbst erstellt habe?
Selbst wenn Du die digitalen Inhalte nicht selbst erstellt hast, sondern einen Dritten, bspw. eine Programmiererin, mit der technischen Herstellung beauftragt hast, bist Du von der Aktualisierungspflicht betroffen. Dann ist die Herstellerin zur Erstellung der Updates verpflichtet und Du selbst musst sie der Kundin einfach bereitstellen, d.h. zugänglich machen. Dafür reicht es aus, wenn der Kundin bspw. ein Download ermöglicht wird. Nun kann es passieren, dass der Hersteller seine Pflichten nicht richtig erfüllt und der Verbraucher Gewährleistungsrechte gegen Dich geltend macht, weil ihm kein Update bereitgestellt wird. Dann wird es die Möglichkeit geben, die Herstellerin in Regress zu nehmen.
7. Habe ich eine Informationspflicht?
Solange Du die Pflicht zur Aktualisierung hast, musst Du den Verbraucher über die bereitgestellten Updates informieren. Nur dann wirst Du als Unternehmerin von der Sachmängelhaftung wegen fehlender Aktualisierung frei. Die Information muss folgendes enthalten:
- die Verfügbarkeit des Updates,
- die Folgen der unterlassenen Installation (nämlich der Verlust der Mängelgewährleistungsrechte, s.o.) und
- eine Installationsanleitung.
8. Änderungen, die über den Erhalt der Vertragsmäßigkeit hinausgehen
Weiterhin solltest Du beachten, dass laut dem Gesetzesentwurf (s. § 327r) Updates, die am Produkt etwas ändern, nur unter gewissen Voraussetzungen zulässig sind. Diese sind:
- die Möglichkeit von Updates, die über das zur Aufrechterhaltung der Vertrags-mäßigkeit erforderliche Maß hinausgehen ist im Vertrag vereinbart
- ein triftiger Grund für die Änderung
- keine zusätzlichen Kosten für den Verbraucher und
- der Verbraucher muss über die Änderung informiert worden sein.
Um die erste Anforderung zu erfüllen, empfiehlt sich eine entsprechende Klausel in AGB. Diese könnte so lauten: „Wir behalten uns vor, auch solche Änderungen am Produkt vorzunehmen, die über das zum Erhalt der Vertragsmäßigkeit erforderliche Maß hinausgehen, wenn es dafür einen triftigen Grund gibt. In einem solchen Fall werden wir den Verbraucher gesondert informieren.“
9. Kann ich den Aktualisierungszeitraum auch durch eine Vereinbarung verkürzen?
Die Update-Pflicht kann für Online-Unternehmerinnen ziemlich aufwändig und teuer werden. Das ist vor allem dann wenig einzusehen, wenn der digitale Inhalt nur gegen eine „Zahlung“ mit Daten, also letztlich kostenlos (das klassische Freebie), zur Verfügung gestellt wurde. Zur Erinnerung: Ja, auch in diesem Fall gilt die Digitale Inhalte – Richtlinie. Eine Verkürzung der Aktualisierungsdauer (generell, wir erinnern uns, dauert die ca. 2 Jahre, ggf. länger) geht aber nach dem Gesetzesentwurf nicht so einfach. Vielmehr musst Du den Verbraucher auf eine bestimmte Art informieren. Um das zu verstehen, brauchen wir ein bisschen mehr Theorie, denn sie hängt mit dem Produktmangel zusammen.
a) Was ist ein Produktmangel?
Allgemein soll der Begriff „Produktmangel“, ähnlich wie der Sachmangel im Kaufrecht, einen Zustand des digitalen Produktes beschreiben, in dem es nicht ordnungsgemäß funktioniert. Der Gesetzesentwurf enthält einen Katalog aus Anforderungen, die erfüllt sein müssen, damit kein Produktmangel vorliegt. Dieser Katalog besteht aus subjektiven und objektiven Anforderungen, sowie Anforderungen an die Integration (also vor allem die Installation) des Produkts. Dabei sind die genannten Anforderungen zunächst einmal gleichberechtigt. Das bedeutet, wie das Produkt funktionieren muss, entscheidet letztlich der Richter – und damit ein Laie, was digitale Produkte anbetrifft. Auch wenn es nicht so sein muss, die Gefahr hoher oder gar realitätsferner Anforderungen aus der Sicht einer Online Unternehmerin ist sicher nicht von der Hand zu weisen. Zum Glück sieht der Gesetzesentwurf vor, dass von den objektiven Anforderungen durch eine Vereinbarung zumindest „abgewichen“ werden kann (§ 327h). Doch, damit diese Vereinbarung wirksam ist, muss – Du ahnst es vielleicht schon – die Informationspflicht nach § 327h erfüllt werden. Lass mich noch die wichtigsten objektiven Anforderungen an ein mangelfreies digitales Produkt aufzählen, von denen durch Vereinbarung abgewichen werden kann. Sie besagen, dass – sich das digitale Produkt für die gewöhnliche Verwendung eignen muss, – es „eine Beschaffenheit, einschließlich der Menge, der Funktionalität, der Kompatibilität, der Zugänglichkeit, der Kontinuität und der Sicherheit aufweist, die bei digitalen Produkten derselben Art üblich ist und die der Verbraucher unter Berücksichtigung der Art des digitalen Produkts erwarten kann“, – es mit dem Zubehör und den Anleitungen bereitgestellt wird, deren Erhalt der Verbraucher erwarten kann und – es dieselbe Beschaffenheit haben muss, wie eine etwaige Testversion. Achtung: Nicht abgewichen werden kann von der objektiven Anforderung, dass „das digitale Produkt in der aktuellsten Version zur Verfügung gestellt werden muss, wenn nicht anders vereinbart wurde“. Das heißt, wenn Du mit der Verbraucherin nichts anderes vereinbart hast, musst Du stets die aktuelle Version bereitstellen.
b) Wie kann man die Informationspflicht erfüllen?
Das ist im Moment noch schwer zu sagen, weil es keine praktischen Erfahrungen dazu gibt. Klar ist bereits jetzt, dass ein Hinweis auf die Abweichung von den objektiven Anforderungen in AGB durch eine sog. „as is“ – Klausel, wodurch einfach die derzeitige Beschaffenheit des Produktes akzeptiert wird, nicht ausreichen wird. Abweichungen müssen nach §327h „ausdrücklich und gesondert vereinbart werden“. Das bedeutet, dass eine separate Unterrichtung und Vereinbarung über eine Abweichung von den objektiven Anforderungen nötig ist. Die Richtlinie selbst nennt in Erwägungsgrund 49 als Beispiele, wie das realisiert werden kann,
- das „Anklicken eines Kästchens oder
- die Betätigung einer Schaltfläche oder Aktivierung einer ähnlichen Funktion“.
Du wirst also ggf. leider einen extra Button in den Bestellprozess integrieren müssen. Dort muss der Verbraucher darüber informiert werden, von welcher der objektiven Anforderungen abgewichen wird. Dieser Button wird vor Vertragsschluss anzuklicken sein. Wenn zum Beispiel ein abweichender Aktualisierungszeitraum vereinbart werden soll, könnte man den zugehörigen Text zum Beispiel so formulieren: „Hiermit wird vereinbart, dass Aktualisierungen lediglich für 1 Jahr gewährt werden, obwohl das digitale Produkt 2 Jahre lang bereitgestellt wird. Damit wird von einer objektiven Anforderung nach § 327e III abgewichen.“ Das muss der Verbraucher dann vor Vertragsschluss durch Klicken auf einen Haken bestätigen.
10. Was gilt, wenn ich eine Garantie geben möchte?
Wenn Du dem Verbraucher eine Garantie geben möchtest, solltest Du beachten, dass es in Zukunft mehr Vorschriften für den Inhalt der Garantieerklärung gibt. Der bisher geltende § 479 BGB wird in § 479 Nr. 2- 5 präzisiert. Folgende Informationen sind nun zusätzlich zu geben: – Name und Anschrift des Garantiegebers, – das vom Verbraucher einzuhaltende Verfahren für die Geltendmachung der Garantie, – die Nennung der Sache, auf die sich die Garantie bezieht, und – die Bestimmungen der Garantie, insbesondere die Dauer und den räumlichen Geltungsbereich des Garantieschutzes. Einfacher wird also auch das nicht und selbst die Bundesregierung geht davon aus, dass „zur Erstellung einer Garantieerklärung (…) typischerweise eine juristische Ausbildung notwendig“ist (Gesetzesentwurf der Bundesregierung im Zusammenhang mit der Warenkaufrichtlinie, S. 16).
11. Muss der Verbraucher Fristen setzen?
Neu ist zudem, dass der Verbraucher nicht mehr explizit eine Frist zur Bereitstellung des mangelfreien Produkts setzen muss, um den Vertrag zu beenden oder Schadensersatz zu verlangen. Stattdessen genügt die Aufforderung zur unverzüglichen Bereitstellung (auch ohne Fristsetzung). Wirst Du dann nicht tätig, kann der Verbraucher Rechtsfolgen aus Verzug oder Nichtleistung geltend machen.
12. Was ist bei der Verjährung zu beachten?
Auch bei der Verjährung gibt es Neuerungen, die deren Beginn und Ende betreffen. Die Verjährungsfrist beträgt grundsätzlich zwei Jahre, wie auch im allgemeinen Kaufrecht.
a) Beginn der Verjährung
Hier unterscheidet der Gesetzesentwurf zwischen digitalen Produkten, die dauerhaft bereitgestellt sind und solchen, die einmalig bereitgestellt wurden (§ 327j Abs. 2). Bei nicht dauerhaft bereitgestellten digitalen Produkten beginnt die Verjährungsfrist mit der Bereitstellung. Dagegen beginnt die Verjährungsfrist bei dauerhaft bereitgestellten digitalen Produkten am Ende des Bereitstellungszeitraumes.
b) Ende der Verjährung
Nach §327j Abs. 3 des Entwurfes kann der Verbraucher noch zwei Monate ab dem Zeitpunkt, zu dem sich der Mangel gezeigt hat, Gewährleistungsrechte geltend machen – auch nach Ablauf der Regelverjährungsfrist von zwei Jahren (§ 327j Abs.1). Falls sich also am Tag des Ablaufs der Verjährungsfrist herausstellt, dass das digitale Produkt mangelhaft ist, verlängert sich die Verjährungsfrist um zwei Monate. Damit soll verhindert werden, dass „wegen des nahenden Endes der Verjährungsfrist eine rechtzeitige Geltendmachung der Gewährleistungsrechte vereitelt werden könnte“ (so die Begründung des Entwurfs, BR-Drs. 60/21, S. 26). Du solltest daher einplanen, dass die Gewährleistungsfrist künftig bis zu 26 Monate betragen kann. Bis der Verbraucher die Mängelrechte geltend macht, weißt Du ja nicht, ob sich kurz vor Ablauf der Regelverjährung ein Mangel gezeigt hat oder nicht.
13. Kann ich den Vertrag kündigen, wenn der Verbraucher seine datenschutzrechtliche Einwilligung widerruft?
In § 327q n.F. ist geregelt, was passiert, wenn der Verbraucher eine datenschutzrechtliche Einwilligungserklärung widerruft. Wenn es dazu kommt, wirst Du die Daten nicht mehr verarbeiten dürfen. Ist Dir nach dem Widerruf ein Festhalten am Vertrag unzumutbar, räumt Dir das Gesetz nun ein Kündigungsrecht ein. Der Vertrag ist jedoch trotz des Widerrufs der Einwilligung wirksam, § 327q Abs. 1 n.F. – auch wenn Du die Leistung gar nicht mehr erbringen kannst. Und nicht einmal Schadensersatz wegen des Widerrufs darfst Du verlangen, § 327q Abs. 3 n.F. Bedeutet das nun, dass der Verbraucher de facto ein zusätzliches und nicht fristgebundenens Kündigungsrecht bekommt? Er könnte ja einfach die datenschutzrechtliche Einwilligung widerrufen, damit Du nicht mehr leisten kannst und sich so letztlich vom Vertrag lösen. Aber da können wir Dich zum Glück beruhigen, denn der Verbraucher dürfte, wenn Du nicht selbst kündigst, in der Regel trotzdem noch zur kompletten Zahlung verpflichtet sein, weil und wenn er selbst für den Widerruf verantwortlich war (s. § 326 Abs. 2 BGB). Wenn der Verbraucher vorsätzlich die datenschutzrechtliche Einwilligung widerruft und sich damit treuwidrig verhält, um sich vom Vertrag zu lösen, dürfte außerdem § 327q Abs. 3 n.F. nicht anzuwenden sein. Also müsste das doch gehen… Hier ein PDF zu dem Thema, ob man wirklich Verträge und AGB’s als Online UnternehmerIn benötigt:
AGB und Verträge – brauche ich das wirklich?
Dr. Ronald Kandelhard, Rechtsanwalt und Mediator, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht. Ronald war lange Zeit an der Universität, in der Rechtsberatung von Staaten und als Rechtsanwalt tätig. Jetzt entwickelt er mit seinem Startup Paragraf7 automatisierte Lösungen für rechtliche Probleme von Unternehmen.
Das Experten-Interview mit Dr. Ronald Kandelhard findest du auf http://www.fragdenexperten.de. In dem Podcast erfährst du genau, wer betroffen ist, was die Richtlinie in der Praxis konkret bedeutet und wie man darauf reagieren kann.
Ist das ein weiterer Anwendungsfall?:
Gilt das neue Schuldrecht für digitale Inhalte auch, wenn ich über eine social media Plattform wie z.B. „slack“ (auf welche nur zahlende Mitglieder Zugang haben) eine Excel Liste für die Mitglieder zur Verfügung stelle zu Job, Hobby, No-Go etc. von jedem Mitglied?
Ja, das gilt dann auch.